Folge 03 – Freiheit – Dr. Philipp Schink
Gesprächstranskript (editiert)
(Marc von der Linde)
Heute nehmen wir im Büro von Herrn Dr. Philipp Schink im Forschungszentrum Normative Ordnungen in Frankfurt am Main auf. Vielen Dank, Herr Dr. Schink, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch nehmen.
In der heutigen Folge werden wir uns fragen, was der Begriff der Freiheit bedeutet.
Um diese Frage zu erforschen, wollen wir uns in dieser Folge etwas vorstellen.
Ein Wesen aus dem All kommt auf die Erde. Es fällt in Europa auf diesen Planeten und fragt sich nach einigen Jahren, in denen es unentdeckt hier leben konnte, wieso sind die Menschen hier in der Lage, sich frei zu entwickeln? Welche Annahmen stecken hinter diesem politischen System?
Das Alien kommt nach Europa und fragt sich, wie es möglich ist, dass so viele Menschen auf so engem Raum friedlich in Freiheit miteinander leben.
Das Alien kann sich Sprachen erschließen und sich so an bestehende Gesellschaften anpassen. Allerdings weiß es nichts von den Bedeutungsinhalten der Worthülsen, die hier wie selbstverständlich gebraucht werden.
Um einzusteigen, wie würden Sie dem Alien, also ganz allgemein, Freiheit und die Bedeutung der Freiheit für Frieden erklären?
(Dr. Philipp Schink)
Das ist eine spannende Frage. Vielen Dank.
Also ich denke, das Alien hat zumindest in der Beschreibung schon mal einen richtigen Einstieg genommen oder einen Einstieg. Man kann viele Einstiege in das Thema nehmen.
Und zwar ist es diese Verbindung aus der Beobachtung, dass Menschen friedlich miteinander leben können und dass das in irgendeiner Weise mit Freiheit zu tun hat.
Und ich glaube, wenn man ein bisschen zurückgeht, zumindest zu dem neuzeitlichen Begriff oder dem modernen Begriff von Freiheit und dem Verständnis, was hier für unsere Gesellschaften eigentlich dann doch prägend ist, dann hat das tatsächlich was damit zu tun, dass Gesellschaften mit Konflikten massiv beschäftigt waren und dass Freiheit eine Möglichkeit, einen Horizont geboten hat, wie man aus diesen Konflikten in der Gesellschaft rausgekommen ist.
Und das kann man ungefähr verorten: Das hat stark mit Religionskonflikten zu tun im 16. Jahrhundert, und da gab es die Idee, dass man gesagt hat, naja, wenn wir diese Konflikte, um was die richtige Religion oder die richtige Überzeugung ist, nicht entscheiden können, dann müssen wir eine Art Modus Vivendi miteinander finden.
Und da hat man die Idee gehabt, das schaffen wir dadurch am besten, dass wir Lebensbereiche schaffen, die vor den Eingriffen anderer in irgendeiner Weise geschützt sind.
Und das erschließen wir uns mit Freiheit. Diese Bereiche erschließen wir uns mit Freiheit.
Und diese Tradition findet man tatsächlich heute immer noch ganz stark.
Die findet man in der Idee, dass Freiheit etwas damit zu tun hat, dass ich in einem Verhältnis zu anderen Personen stehe.
Und ich sage gleich was dazu, warum diese Bezogenheit auf andere da eine Rolle spielt.
Warum ich in einem Verhältnis zu anderen stehe, in dem diese anderen nicht in einen Bereich, Handlungsbereich von mir hineingreifen, eingreifen dürfen oder es faktisch auch nicht tun.
Und dass wir das als eine Freiheit bezeichnen. Das ist sozusagen der Freiheitsraum.
Und wer diese anderen sind, ist dann sozusagen beliebig auffüllbar.
Klassisch ist es oft der Staat gewesen. Man sagt, es gibt gegenüber dem Staat, gegenüber einer politischen Entität, einen bestimmten Bereich, der sagt: Hier sind die Grenzen staatlichen Handelns in Bezug auf die ihm unterworfenen Individuen, was wir dann als Bürgerinnen heute kennzeichnen.
Von daher denke ich, hat das Alien schon eine sehr gute Beobachtung gemacht, dass es nämlich gesehen hat, also hier auf der Welt leben Menschen miteinander zusammen, ohne permanent in einen Konflikt zu geraten.
Und das scheint etwas damit zu tun zu haben, dass bestimmte Dinge, die normalerweise zum Konflikt ständig führen würden, bestimmte Verhaltensweisen reguliert werden.
Und das scheint man darüber zu machen, indem man so eine Art Handlungsbereiche verteilt und zuordnet.
(Marc von der Linde)
Also in gewisser Weise machen Sie damit ja schon die Interpretation des Begriffs als dieses zweischneidige Schwert nach Berlin auf.
Das Alien versteht also, dass eine Interpretation des Freiheitsbegriffs den Begriff von zwei Perspektiven her füllt und daher die Konzepte der negativen und positiven Freiheit entspringen.
Das Individuum soll sich frei entfalten können und benötigt daher eine Freiheit von äußeren Zwängen. Bedeutet negative Freiheit dann nur, frei von etwas zu sein?
(Dr. Philipp Schink)
Es gibt große Brüche in dieser Erzählung von Freiheit.
Das 19. Jahrhundert ist ein riesengroßer Bruch mit der Industrialisierung und dem aufkommenden Kapitalismus. Da werden dann auf einmal ganz andere Freiheitsprobleme virulent.
Aber das, was jetzt hier angesprochen ist, mit negativer Freiheit und positiver Freiheit, geht erstmal auf eine Vorlesung zurück, die ein Ideengeschichtler, der in Oxford gelehrt hat, vorgeschlagen hat.
Das ist Isaiah Berlin gewesen. Berlin hat 1958, meine ich, in einer Antrittsvorlesung eine Unterscheidung vorgenommen, dass er gesagt hat, wir können eigentlich die gesamte Ideengeschichte der Freiheit in einer klugen Weise unter zwei Begriffe ordnen.
Es gibt wesentlich mehr Begriffe, aber diese beiden bieten so einen ganz guten Sortierungsvorschlag.
Und das eine ist unter dem Begriff der negativen Freiheit und das andere unter dem Begriff der positiven Freiheit.
Negative Freiheit, und das ist ganz wichtig, ist tatsächlich etwas, was wir heute als den Kern liberalen Freiheitsverständnisses verstehen würden.
Und es geht nicht darum, dass wir uns selbst verwirklichen.
Es bezeichnet tatsächlich etwas, dass wir von anderen in bestimmten Handlungsbereichen nicht eingeschränkt werden. Und es geht nur darum, quasi die Kernfrage, wie das dann entwickelt ist.
Was ist eigentlich der Bereich, in dem andere, andere Individuen, der Staat, politische Parteien, Gruppen, was auch immer man da einsetzen will - nicht eingreifen?
Und dann ist die zentrale Frage: Wie groß ist dieser Bereich, wie klein ist dieser Bereich, in welcher Art und Weise wird er verteilt, wird er gleich verteilt, wird er ungleich verteilt und so.
Das sind dann die klassischen Fragen, die mit negativer Freiheit einhergehen.
Und das ist eine relativ, im Einzelnen immer kompliziert zu verstehendes Konzept.
Aber es ist verglichen mit dem, was sich in unterschiedlichen Varianten mit dem Begriff positiver Freiheit erschließen lässt, doch ein relativ schmales Konzept.
(Marc von der Linde)
Eine Auffassung des demokratischen Staates ist, dass der Staat die gesammelten Werte und Interessen der Bevölkerung vertritt. Im besten Falle ist der Staat also der Volkssouverän und doch wird mit der Idee der negativen Freiheit klargestellt, dass das Individuum geschützt werden muss vor der Willkür des Staates.
Der Schutz vor Willkür ist also ein relevanter Teilaspekt negativer Freiheit. Negative Freiheit bezeichnet dann ja in gewisser Weise auch immer diese Räume der Freiheit die geschaffen werden.
Dadurch wird das Individuum unabdingbar in Relation zu dem Rest der Gesellschaft gesetzt. Und aufgrund dieser Gegebenheiten muss Freiheit dann ja auch immer im Spannungsverhältnis zu den anderen Individuen gedacht werden – wieso ist die Komponente der Anderen für die eigene Freiheit essentiell?
(Dr. Philipp Schink)
Naja, es ist für den Freiheitsbegriff, würde ich sagen, gerade in der liberalen Tradition essenziell. Weil so, wie wir das quasi schon anhand dieses Alien-Beispiels angefangen haben zu entwickeln, wird in dieser Tradition mit dem Begriff der Freiheit versucht, das Verhältnis zwischen Menschen zu erschließen.
Und es wird dann gesagt, es ist ein Verhältnis, Menschen handeln einander gegenüber und ich bin frei im Verhältnis zu einer anderen Person, wenn die nicht in einen Handlungsbereich von mir eingreift.
Also wenn die nicht in einer spezifischen Art und Weise mir gegenüber handelt. Das ist so diese Kernkonzeption davon. Und davon ausgehend wird dann quasi gesagt, dass die zentrale politische Frage, erstmal weil nach der Demokratie ja gefragt wurde, dass die zentrale politische Frage eine ist, immer wie groß ist dieser Bereich.
Die zentrale politische Frage ist nicht, Welche Regierungsform haben wir? Demokratie oder irgendwas anderes? Und hängt die intrinsisch mit Freiheit zusammen? Da wurde immer gesagt, nein, da gibt es einen ganz klaren Bruch zwischen. Es gibt zwischen der Regierungsform und der Art und Weise, wie Freiheit gewährleistet, allenfalls einen empirischen Zusammenhang.
Die meisten Liberalen würden natürlich sagen, empirisch gesehen sind Demokratien eher freiheitsverbürgend als Autokratien oder sowas. Aber auf der begrifflichen Ebene gibt es da nicht unbedingt einen Zusammenhang. Und das versteht sich auch dadurch, weil in dieser Tradition wird Freiheit als eine Art Abwehr gegenüber dem Staat verstanden. Es ist gerade eine Abwehr gegenüber einem politischen Übergriff.
Und das findet man dann sozusagen im 19. Jahrhundert ergänzt auch als Freiheitsvorstellung, als eine Abwehr gegenüber gesellschaftlichen Übergriffen. Klassisch ist das bei John Stuart Mill oder sowas, wo das primäre Problem vielleicht gar nicht mehr so sehr ist, inwieweit der Staat eigentlich in irgendwelche Handlungsbereiche eingreift, sondern inwieweit Gesellschaften normierend wirken. Und über Druck und Zwänge selber das Individuum zu einer bestimmten erwünschten Verhaltensweise bringen. Und dagegen wird dann Freiheit als ein ganz wichtiges Prinzip angeführt. So ungefähr. Aber jetzt habe ich nicht alle Punkte Ihrer Frage erschöpft vielleicht.
(Marc von der Linde)
Mit dem ersten Verständnis hat das Alien eine sehr idealistische Idee von Freiheit bekommen, dass Freiheit etwas ist, was besteht und das auch gewährt werden muss in Staaten.
Nun konnte das Alien in seiner kurzen Zeit, die es hier auf Erden ist, in Europa, schon einige Beobachtungen anstellen. Es beobachtete, wie einige Menschen diese Dimension des Anderen vergessen. Das Alien hat den Eindruck bekommen, dass das Verständnis von Freiheit mancher Menschen die Freiheit anderer Menschen bedroht.
Aber wenn die Anderen stets auch eine Rolle spielen im eigenen Freiheitsverständnis oder eine Rolle spielen sollten, Freiheit also stets auch um eine soziale Dimension des gesellschaftlichen Zusammenlebens beschreibt, inwiefern braucht es dann eine Kenntnis dieser Dimensionen?
(Dr. Philipp Schink)
Das ist eine sehr gute Frage und das ist auch eine sehr komplizierte Frage. Und je nachdem, welches Freiheitsverständnis man jetzt in Anschlag bringen würde, würde man sehr unterschiedlich natürlich darauf antworten.
Wenn man jetzt so ein klassisch-liberales Freiheitsverständnis nehmen würde - Und das bietet sich an, weil das ideengeschichtlich oft so eine Art Default-Position ist. Von der fängt man an und man muss aber auch sagen, dass es nicht nur eine Default-Position ist, sondern das ist auch etwas, was wir in den liberalen Verfassungsstaaten Europas sehr häufig finden.
Da ist es ein ganz klares Kernverständnis von liberaler Freiheit. Und das findet man auch darin, dass zum Beispiel dem politischen Prozess selbst Grenzen gesetzt werden. Dass gesagt wird, es gibt ein bestimmtes Set an Rechten, das sind unsere Kernfreiheitsrechte und wir entziehen dem politischen Prozess die Möglichkeit, in diese Freiheitsrechte einzugreifen. In der Bundesrepublik ist es zum Beispiel ganz klar das Grundgesetz.
Die ersten Artikel des Grundgesetzes, die selbst nur in einer extrem schwierigen Art und Weise dem politischen Prozess selbst zugänglich sind. Das ist ein Kerngedanke von einem liberalen Verfassungsstaat.
Freiheitsrechte sind die Basis unseres politischen Gemeinwesens und als solche sind sie dem politischen Zugriff selbst, sei er nun demokratisch oder nicht, nicht verfügbar. Das ist so eine Entzugsgestalt ganz stark. Aber wenn wir in dieser Linie jetzt versuchen zu gucken, wie ist das eigentlich mit Freiheit und wie ist es sozusagen mit einem sensiblen Umgang mit Freiheit, dann ist der erste Zugang immer die Frage: Wie werden eigentlich Freiheitsräume in einer Gesellschaft quasi positiv gefasst?
Normalerweise werden die über Rechte ausbuchstabiert, die Individuen dann zukommen und auf die sie sich gegenüber anderen oder gegenüber politischen Institutionen berufen können, also individuelle Freiheitsrechte.
Und da könnte man einfach sagen, die Sensibilität wird hier quasi staatlich garantiert. Also wenn es irgendwo zu Eingriffen in meine Rechte kommt, dann kann ich sozusagen mir Schutz beim Staat holen und in Form von Gerichtsverfahren oder was auch immer, oder eben indem ich die Polizei rufe oder so, dafür sorgen, dass ich in meine Rechte wieder eingesetzt werde. Das ist dieses eine Problem.
Ich glaube, schwieriger wird es in einem anderen Bereich, wo es um eine Art gesellschaftliche Sensibilität geht und wo es um das geht, was wir eben schon da mit Hinweis auf John Stuart Mill vor Augen hatten.
Erschöpft sich die Freiheit von Menschen auch in einer liberalen Ordnung eigentlich in dem Haben von Freiheitsrechten oder sind die selbst nur ein Teil von dem, was wir in der Gesellschaft dann eigentlich als real empfundene Freiheit oder nicht empfundene, sondern als reale Freiheit haben?
Selbst wenn ich nicht in den Freiheitsspielraum einer anderen Person massiv eingreife, kann es trotzdem zu einer Form der Beeinflussung kommen, die dazu führt, dass bei der anderen Person massiv die Freiheit eingeschränkt wird.
Das ist immer diese Frage danach, was gilt eigentlich wirklich als Eingriff in die Freiheit einer anderen Person. Das ist eine unglaublich komplizierte Frage. Klassisch kann man sie ganz einfach beantworten.
Es gibt zum Beispiel Fraktionen, die sagen einfach in der Geschichte der Philosophie, naja, ein Eingriff ist es dann, wenn ich willentlich eine Person zu etwas zwinge.
Zum Beispiel, indem ich ihr den Weg verstelle. Oder indem ich ihr mit vorgehaltener Pistole sage, entweder du machst dies und das oder jenes passiert. Oder indem ich staatlich sage, du übernimmst jetzt, ich dekretiere, du übernimmst jene Religion. Punkt.
Hier haben wir es dann sozusagen mit dieser Idee zu tun, dass nur Zwang Freiheit einschränkt, aber andere Formen nicht.
Zum Beispiel wird gesagt, dass wenn ich dir auf dem Markt, auf dem freien Gütermarkt, Warenverkehr, wenn ich dir hier irgendeine Möglichkeit wegnehme, weil ich das letzte Brötchen im Supermarkt kaufe oder sowas, dann schränke ich dich nicht in deiner Freiheit ein.
Weil ich hier nicht bewusst mit Zwang auf dich einwirke, um dir etwas wegzunehmen.
Also da sehen wir ganz stark, dass bei dieser Freiheitsdiskussion eigentlich ein Hauptaugenmerk daraufgelegt werden muss, was als Eingriff gilt.
Was gilt eigentlich als Freiheitseinschränkung?
Und dass das viel interessanter ist. Und da werden wir sofort sehen, dass sich da Gesellschaften immer auf einem sehr dünnen Grat bewegen. Weil es natürlich immer diese Frage ist, auch des Einschränkens, Einschränkung muss immer aus zwei Perspektiven betrachtet werden.
Und das ist diese Pointe an dem liberalen Freiheitsverständnis, warum die immer denken, es ist eine Bezogenheit von Menschen aufeinander.
Und es ist immer etwas, was wechselseitig gilt, sodass ich ebenso gut meinetwegen sagen könnte, in einer heutigen Gesellschaft fühlt sich eine Person durch abschätzige Blicke ganz massiv in ihrer Ausdrucksfreiheit beschränkt.
Jetzt folgt aber umgekehrt daraus vielleicht nicht, dass, wenn wir konzedieren, dass das eine Freiheitseinschränkung sein sollte, zumindest wird sie anscheinend so empfunden, die Person traut sich nicht mehr, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, weil sie abschätzig geguckt wird.
Heißt das aber, wenn wir das als Freiheitseinschränkung Rubrizieren, dass die anderen Personen nicht mehr abschätzig gucken dürfen?
Und da merkt man sofort, dass oftmals an diesen liberalen Freiheitsverständnissen diese Idee immer drin ist, wir versuchen ein Verhältnis zwischen Menschen zu denken und wenn für die einen das so ist, wie stellt sich das eigentlich für die anderen dar?
Und das sind dann diese spannenden Fragen, die wir in liberalen Staaten die ganze Zeit zu diskutieren haben.
Wo fängt die Freiheit der einen Person an und wo fängt die Freiheitseinschränkung einer anderen Person an?
Und wenn es eine Freiheitseinschränkung ist, wie gravierend müssen wir das eigentlich denken? Wenn man das rechtlich ausbuchstabiert, geht man natürlich um diese ganzen Formen gesellschaftlicher Beeinflussung drumherum. Und sehr häufig ist es aber so, dass, sagen wir mal, aus den Gruppen, die gerade etwas als gesellschaftliche Sanktionen empfinden, dass selbst wenn nicht massiv in deren Rechte eingegriffen wird, sie dennoch den Eindruck haben, hier findet eine Form der Beeinflussung statt, die wir als Freiheitseinschränkung erleben.
Und dann gibt es eine Diskussion darüber, Reicht eigentlich der Rechtekanon aus, um dieses Problem zu diskutieren? Sind Rechte überhaupt das adäquate Mittel, um das zu erschließen?
Können wir uns Freiheitseinschränkungen denken, wo das Antidot sozusagen nicht das individuelle Recht ist oder das öffentliche Recht, sondern vielleicht irgendetwas anderes?
Und das führt uns, glaube ich, zu so einem ganz interessanten Punkt, weil in der Tradition des Freiheitsdenkens, in der politischen Philosophie, wie wir das haben, wird vor dem 20. Jahrhundert relativ selten von Autorinnen angenommen, dass Freiheit der einzige und letzte Wert ist.
Sondern in der Regel wird davon ausgegangen, dass Freiheit ein Wert unter anderen ist, Es ist aber nicht der Wert, auf den alles zu reduzieren wäre.
Und das ist von daher entscheidend, weil die Leute relativ häufig gedacht haben, wir etablieren eine freiheitliche Ordnung, aber in dieser freiheitlichen Ordnung, die vor allem sozusagen über negative Abwehrrechte bestimmt ist, legen wir trotzdem einen sehr hohen moralischen Maßstab aneinander an, der nämlich dazu führen soll, dass wir miteinander ein gutes moralisches Gemeinwesen haben - nach hohen moralischen Ansprüchen.
Sodass wir zum Beispiel zwar nicht staatlich dazu gezwungen werden, über hohe Steuern sozusagen eine halbwegs gerechte Wohlstandsordnung zu erreichen, aber wir machen das freiwillig, aus eigenem Antrieb.
Und das ist eine Idee, die sozusagen im 20. Jahrhundert ziemlich an den Rand getreten ist, weil man dachte, naja, sobald der staatliche Zwang weg ist, bin ich auch zu nichts mehr verpflichtet.
Das ist im klassischen Liberalismus zum Beispiel überhaupt nicht so gesehen. Da gibt es die Idee, dass man sagt, naja, es darf keinen staatlichen Zwang in diesen Bereichen geben, weil das in the long run dazu führen würde, dass die moralische Motivation von Menschen eigentlich unterminiert werden würde. Weil wenn ich dazu gezwungen werde, ich kürze das mal ab, Gutes zu tun, oder das Richtige zu tun, dann führt das dazu, dass meine Motivation ersetzt wird.
Ich habe nicht mehr die moralische Motivation, etwas richtig zu tun, sondern ich habe auf einmal die Motivation, dass ich keine staatlichen Sanktionen mehr leiden will. Und dann führt das dazu mit der Zeit, dass quasi die moralische Motivationen insgesamt in der Gesellschaft nachlässt.
Und dann, wenn es in irgendeiner Weise von der Gesellschaft eine Art Einspeisungsmechanismus auf die politische Ebene gibt, dann führt das dazu, dass natürlich dann auch auf dieser Ebene Veränderungen vorgenommen werden und wir sozusagen insgesamt in eine amoralische Gesellschaft hineinsteuern.
Das ist ein wichtiger Punkt, den man, glaube ich, immer ergänzend im Kopf haben muss, wenn man über Freiheit in der Tradition negativer Freiheit nachdenkt. Also es wird nicht alles mit dem Freiheitsbegriff versucht zu erschließen. Das hat eine ganz spezifische Funktion, aber innerhalb einer moralischen Ordnung, in der es andere Werte gibt, die eine spezifische Rolle da auch erfüllen, nur will man die alle nicht sozusagen mit dem Begriff der Freiheit erschließen. Das ist wichtig.
Also Freiheit muss man immer im Verhältnis zu anderen Werten denken und muss immer gucken, ob das sozusagen sowas ist, wie der Wert, auf den alle anderen Dinge zu reduzieren wären, oder ob es etwas ist, was im Verhältnis zu anderen immer wieder ausbuchstabiert werden soll.
Und um den Bogen sozusagen zu dieser klassischen Vorlesung von Isaiah Berlin zu ziehen - der hat dann eine ganz starke Auffassung, dass er sagt, na klar, in dieser Tradition wird immer gesagt, Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps, Freiheit ist Freiheit und Gerechtigkeit ist Gerechtigkeit.
Und Gleichheit ist Gleichheit und wir dürfen diese Werte nicht miteinander verwechseln, aber es sind Werte, die alle eine hohe Bedeutung haben.
Und Dann gibt es also im Prinzip Prämissen von Freiheit, die dieses Freiheitsverständnis erst ermöglichen.
Also Freiheit dient einer Art Etablierung von einer grundlegenden Interaktionsstruktur. Aber diese Interaktionsstruktur ist tatsächlich grundlegend und die erschöpft nicht das Gesamte des menschlichen Miteinander.
Sondern die Freiheit soll das absichern in einer gewissen Art und Weise. Und die soll es uns möglich machen, also jetzt ganz pathetisch formuliert, so eine Struktur soll es uns möglich machen, dass wir selbst moralische Motivation zum Beispiel ausbilden können. Weil wir die nicht unter Zwangsverhältnissen ausbilden.
Das ist so eine zentrale Idee. Das heißt, wenn man diesen - du merkst jetzt auch, ich versuche eine bestimmte liberale Tradition gegen natürlich andere liberale Traditionen stark zu machen.
Mir scheint das vor dem aktuellen Hintergrund, wie aktuell in der Bundesrepublik der Liberalismus behandelt und diskutiert wird, immer wichtig zu machen, dass es in der Tradition des Liberalismus diese Ausrichtung auf moralisches Handeln gegeben hat und dass man nicht dachte, dass Freiheitshandeln, das erschöpft.
Nur der Rekurs darauf, dass etwas mein Freiheitsrecht ist, ist im klassischen Liberalismus keine letztgültige Antwort auf die Frage, dass es moralisch gerechtfertigt ist. Das sind zwei unterschiedliche Sachen.
Aktuell hat man den Eindruck, im bundesdeutschen Liberalismus oder von dem, was es da noch so ein bisschen gibt, wird genau das so gedacht. Wenn das meine Freiheit ist, dann darf ich das. Dann erübrigt sich da auch alles andere. Dann kann ich rumknattern auf der Autobahn, wie ich will. Ob das schädliche Konsequenzen für irgendjemanden hat, ist mir doch egal, ist mein Freiheitsrecht.
Und da merkt man immer wieder ein bisschen, in der aktuellen Zeit wird negative Freiheit und die Tradition liberalen Freiheitsdenkens oft partiell und selektiv herangezogen, damit man die eigene Asozialität nobilitieren kann. Damit man der so ein bisschen einen begrifflichen Hallraum oder sowas geben kann. Aber eigentlich versteht man das darum, dass man sagt, ich will einfach nur machen, was ich darf und das genau zeigen Freiheitsrechte.
Da ist natürlich was dran, denn Freiheitsrechte haben schon natürlich die Idee, Abwehr gegenüber staatlichen Eingriffen oder auch gegenüber gesellschaftlichen Eingriffen zu schaffen. Und natürlich ist sozusagen die eine Seite davon, klar darf ich da drin machen, was ich darf. Aber es enthebt einen eben nicht von anderen moralischen Fragen, sondern es eröffnet die in einer gewissen Art und Weise.
Liberale Freiheit, klassisch verstanden, sichert einen Raum, dass Menschen selbst freiheitlich moralische Motivationen ausbilden können und die dann auch wirklich nur haben. Also entweder moralische Motivationen hat man in dieser Art und Weise oder man hat sie gar nicht.
Also wenn man gezwungen wird, ist diese Frage sozusagen vollkommen obsolet.
(Marc von der Linde)
Das Alien versteht immer mehr, dass Freiheit auch dementsprechend in gewisser Weise ein innerer Zustand ist, der kultiviert werden muss, also eine gewisse innere Moralität in den Individuen, die kultiviert eine Art Prägung der Wahrnehmung des In-der-Welt-Seins ist.
Ist die Freiheit, also auch ein Selbstverständnis des Individuums, dass es seiner selbst und aller umgebenden Individuen als Wesen bewusst ist? Und aller Wesen als mit innewohnender, vor allem der Menschenwürde im Klaren ist, die es durch das Gewähren, Nehmen und Anbieten von Räumen sich und anderen Wesen gewähren sollte?
(Dr. Philipp Schink)
Das ist eine sehr spannende Frage.
Also in der Tradition, ich bleibe jetzt einfach mal bei der Beantwortung in dieser Unterscheidung, die Isaiah Berlin vorgeschlagen hat, die ist nicht letztgültig und kann auch aus verschiedenen Perspektiven wirklich gut kritisiert werden, aber sie hilft uns erstmal so ein bisschen das Feld zu bestimmen.
Das, was du jetzt beschreibst, würde ich gerade nach der Frage der inneren Moralität oder nach einem Verständnis, ich denke, du willst auf die Menschenwürde hinaus, dass Menschen einander wechselseitig als Träger von Würde verstehen und dass dieses Werthaben, was damit zum Ausdruck kommt, tatsächlich nicht in irgendeiner Weise an bestimmte Handlungen gebunden ist.
Es ist halt keine Verdienstkonzeption von Menschenwürde oder sowas. Und ob Freiheit auch damit was zu tun hat, dass ich erst dann frei bin, wenn ich eine Sicht auf die Welt habe, in der ich quasi alle Menschen als Träger von Würde wahrnehme?
Da würde ich sagen, das hat mit einer ganz spezifischen, so ein Denken gibt es und das hat mit einer Tradition von positiver Freiheit ganz stark zu tun.
Positive Freiheit ist quasi eine Freiheit, bei der es klassisch im politischen Bereich darum geht, zu bestimmen, wer die Kontrolle eigentlich, über die Bestimmung von bestimmten Handlungsbereichen oder Gesetzen oder irgendwas anderes zu tun hat.
Also wo es um Kontrolle geht, wer ist eigentlich in Charge?
Und das kann dann auf der individuellen Ebene ausgeführt werden, dass man sagt, wer ist eigentlich Herr im eigenen Haus oder Herrin im eigenen Haus?
Oder du kannst es auf der politischen Ebene führen.
Und dann gibt es klassische Angebote, dass du sagst, naja, es ist die Demokratie , es ist das Volk, was in irgendeiner Weise, und dann kann man das radikal-demokratisch oder repräsentationslogisch oder wie auch immer ausdeuten, aber da gibt es dann unterschiedliche Antworten darauf, was es eigentlich bedeutet, die Kontrolle über etwas zu haben, in dem politischen Bereich.
Wenn du jetzt auf diese Verbindung mit innerer Moralität eingehst, würde ich sagen, ist das ein bestimmtes Verständnis von positiver Freiheit, was vielleicht ein bisschen einen kantianischen Hintergrund hat und wo man vielleicht sagen könnte, dass ganz abstrakt formuliert ist eine Vorstellung, dass ich erst dann frei bin, wenn ich meine eigene Handlungen durch gute Gründe bestimme.
Was immer wir unter guten Gründen verstehen - aber es bindet sozusagen die Freiheit in meine Handlungen, meine Entscheidungen selbst nochmal an ein anderes Kriterium. Das ist jetzt dieses unterbestimmte „Gute Gründe Kriterium“.
Die Frage ist immer, wenn wir uns solche Definitionen anschauen, eigentlich ist dagegen, glaube ich, nichts zu sagen, gegen diese Idee, wir sollten uns durch gute Gründe bestimmen lassen.
Aber die spannende Frage ist ja in diesem Bereich, was hat das eigentlich mit Freiheit zu tun?
Ist eigentlich die Idee, dass wir uns selbst durch gute Gründe bestimmen lassen, etwas, was wir am besten über Freiheit erschließen, oder ist es etwas, was wir über ganz viele andere Möglichkeiten erschließen?
Da gibt es tatsächlich so eine Bifurkation in der Freiheitsdebatte, dass auf der einen Seite gesagt wird, nein, das hat gerade nichts damit zu tun: Das ist quasi Tradition negativer Freiheit, weil genau in dieser Idee sieht man quasi die Möglichkeit von der Legitimierung politischer Herrschaft.
Und politische Herrschaft hier jetzt in einem nicht neutralen Sinn verstanden, sondern als etwas, was Menschen massiv einschränkt, was über Hierarchien funktioniert und wo Menschen der Macht anderer Personen unterworfen sind.
In dieser Tradition positiver Freiheit gibt es oft dieses Denken, dass nicht die Macht von Menschen übereinander ein Problem ist, sondern nur wenn von dieser Macht in einer bestimmten Art und Weise gebraucht gemacht wird oder nur wenn diese Macht in einer bestimmten Art und Weise entsteht.
Und das ist eine große Differenz darin.
Aber wenn du, also deswegen die erste Antwort sozusagen, nein, ich glaube nicht, dass irgendeine Form von innerer Moralität etwas mit Freiheit zu tun hat, in der einen Tradition.
In der anderen Tradition, na klar, da ist das sozusagen, ist das die Conditio sine qua non, auf der wir uns überhaupt verstehen. Da wird gesagt, ich verstehe die anderen Akteurinnen überhaupt nicht als Akteurinnen, wenn ich nicht verstehe, dass sie Akteurinnen mit einem bestimmten quasi moralischen Status oder sowas sind.
Die Frage ist immer so unglaublich, diese spannende Frage in diesem Kontext ist, wenn wir Freiheit an das Haben von irgendetwas anderem binden, was ermöglicht das dann eigentlich?
Was ermöglicht uns das begrifflich? Welche Phänomene können wir damit gut erschließen? Und welche Begriffe und Phänomene können wir damit nicht mehr gut erschließen?
Und vielleicht kann man sas an einem kleinen historischen Sprung zurück verdeutlichen.
Während der Corona-Pandemie gab es eine ganze Reihe von Diskussionen, ob eigentlich das Impfen, die Ausgangssperren und diese Sachen, ob das eigentlich Freiheitseinschränkungen sind oder nicht.
Und es gab einen Teil von Leuten, die gesagt haben, das ist eine massive Freiheitseinschränkung und ein anderer Teil, und das waren interessanterweise auch Philosophinnen, haben gesagt, nein, es handelt sich hier überhaupt um keine Freiheitseinschränkung, denn das ist vernünftig geboten, dass wir uns hier jetzt zum Impfen gehen, weil das Impfen ist der Weg, wie wir am besten diese Corona-Pandemie bewältigen können. Und daran sieht man das schon ein bisschen.
Das bedeutet natürlich, wenn ich sage, dass das Freiheit jetzt gerade ist, Also mit guten Gründen hier zu handeln und ich unterstelle jetzt einfach mal, dass das gute Gründe sind.
Ist natürlich erstmal immer real, ist es ein guter Grund oder ist das kein guter Grund? Wie legt man das einfach fest? Der Hinweis darauf, dass wir das alles im vernünftigen Diskurs klären, ist nur so mittelerfolgreich, denke ich, und macht es sich ein bisschen leicht am Ende des Tages.
Aber auf der anderen Seite, was man natürlich darin hat, und das ist grundsätzlich ein Problem an positiver Freiheit, wenn ich die Definition von Freiheit an so etwas wie gute Gründe oder eine gelungene Selbstverwirklichung oder eine gelungene Selbstbestimmung, eine Autonomie oder irgendwas anderes binde: Dann kegel ich einen ganzen Bereich von anderen Freiheitsverständnissen damit raus. Und im öffentlichen Diskurs kegel ich damit eine Möglichkeit raus, dass sich Menschen im Rekurs auf diesen Freiheitsbegriff in einer öffentlichen Debatte zur Geltung bringen können, weil ich denen schon sage, ihr habt doch ein falsches Freiheitsverständnis.
Das heißt, worauf ihr euch beruft, das ist überhaupt nicht Freiheit, sondern ihr beruft euch eigentlich sozusagen auf die falschen Gründe und damit ist es bei euch nur ein Ausdruck von Unfreiheit. Und das Problem ist eben, dass wir zu einer Art linguistischen Entfähigung kommen.
Und dadurch haben Leute überhaupt nicht mehr die Möglichkeit, in irgendeiner Weise Dinge zu artikulieren, Unbehagen oder irgendwas anderes. Und das ist, glaube ich, politisch wirklich ein Problem.
Also im Alltag ist es ein Riesenproblem, wenn man das Menschen nimmt. Man kann immer noch natürlich in der Freiheitsdiskussion sagen, klar, das ist eine Freiheitseinschränkung, aber es ist eine gerechtfertigte Freiheitseinschränkung. Aber erstmal lässt man sozusagen hier so eine Art Artikulation von Unbehagen und Leid zu. Und man verschiebt das dann auf eine andere Stelle.
Bei der anderen Sache nimmt man Menschen das einfach. Da sagt man einfach, okay, ihr habt einfach die falschen Gründe. Das sind immer diese Gefahren, die damit einhergehen und warum die Wahl von einem bestimmten Freiheitsverständnis durchaus starke praktische Implikationen hat.
(Marc von der Linde)
Das Alien wird sich während seiner Zeit hier in Europa mehr und mehr auch bewusst, dass das eigene Bewusstsein und die moralischen Fähigkeiten zwar nicht entscheidend sind zur Chance der Freiheit.
Viele Handlungen des Individuums sind auch abhängig von anderen. Der Mensch, komplett auf sich gestellt, ist dann doch ein nacktes Tier, das vielleicht von Freiheit träumen kann. Aber um frei leben zu könne, sind Menschen doch auf institutionelle Einrichtungen angewiesen. Das kommt ein Stück weit jetzt zurück auf die, was Sie eben schon angesprochen hatten, dass es gewisse Rechtsauslegungen gibt von Freiheit. Aber wie sind da die Verhältnisse?
(Dr. Philipp Schink)
Das ist eine spannende Frage und in dieser Frage werden jetzt ganz viele unterschiedliche Sachen angesprochen. Ich würde sagen, da werden drei Sachen angesprochen.
Erstmal ex negativo wird da so eine Art Freiheitsverständnis, was es auch ganz stark gibt, was es ganz stark in der Literatur gibt, was es aber auch in diesen ganzen, ich kaufe mir ein Haus in den italienischen Alpen und meine Nachbarn sind zehn Kilometer entfernt, YouTube-Videos gibt, so eine Art Into the Wild-Videos.
Ein Freiheitsverständnis, was im Kern so eine Art antizivilisatorischen Freiheitsimpuls hat. Also frei bin ich nur, wenn ich tatsächlich frei von gesellschaftlichen Zwängen bin. Wann bin ich frei von gesellschaftlichen Zwängen? Wenn ich in der Natur vor mich hinlebe.
Das andere ist ein weiteres wichtiges Kriterium, was da in der Frage angesprochen wird, ist diese Frage wechselseitiger Beeinflussung.
Und das ist wieder diese Frage, wann wird eigentlich etwas zur Freiheitseinschränkung und wann wird etwas nicht zur Freiheitseinschränkung.
Ein klassisches Beispiel können wir machen, wir beide adorieren eine dritte Person.
Diese dritte Person entscheidet sich aber nun unglücklicherweise für dich als Lebenspartner. Und ich gucke blöd in die Wäsche. Mein Leben ist massiv, meine Lebensvorstellungen sind massiv durch diese Partnerwahlentscheidung beeinflusst.
Ist das jetzt eine Freiheitseinschränkung? Dass ich sozusagen nicht mit der von mir adorierten Person zusammenleben kann? Das sind dann so Fragen, wo man genau navigieren muss.
Okay, wir beeinflussen uns ständig. Wir sind Wesen, die ständig aufeinander Einfluss nehmen. Wo ziehen wir eine Grenze? Wo ist diese Form der Beeinflussung jetzt eine Freiheitseinschränkung und wo wollen wir die gesellschaftlich sanktionieren und wo nicht?
Und das ist, glaube ich, in letzter Instanz immer eine normative Entscheidung. Das heißt, das Faktum der Beeinflussung sagt mir nichts über eine Freiheitseinschränkung oder nicht aus. Und die Frage, wo man das genau zieht, ist oft eine normative Entscheidung.
Das bringt uns zu einem riesengroßen Problem natürlich zurück, dass wenn Freiheitsverständnisse selbst schon immer auf moralischen Entscheidungen basieren, dann scheint der Freiheitsbegriff selbst relativ wenig leisten zu können.
Weil dann ist er abhängig von moralischen Entscheidungen, die aber nicht mit dem Freiheitsbegriff selbst erschlossen werden. Deswegen ist es ein Riesenproblem, wenn man diesen Weg der Unterscheidung geht. Und da ist große Vorsicht geboten und es gibt viele Gründe, die dafürsprechen, dass man ein nicht moralisches Verständnis von Freiheit hat.
Das Dritte, was in der Frage angesprochen wird, ist nochmal diese klassische Frage von Freiheit und Unabhängigkeit.
Also inwieweit ist Freiheit eigentlich sowas wie ein Antonym von Abhängigkeit oder so und wie buchstabieren wir das dann aus?
Das ist nochmal was anderes als diese Vorstellung, dass ich erst in so einer Robinsonade wirklich frei bin, weil ich dann keinerlei gesellschaftliche Beeinflussung mehr habe.
Und auf der anderen Seite ist es auch nochmal eine andere Frage als die Frage, wo verläuft eigentlich eine Grenze der Beeinflussung, wo ist es freiheitsrelevant und wo ist es nicht freiheitsrelevant. Eine Abhängigkeit ist da gegeben, wo ich in einem mehr oder weniger essenziellen Lebensbereich anderen unterworfen bin und auf deren guten Willen angewiesen bin oder nicht.
(Marc von der Linde)
Dass das Individuum in gewisser Weise vielleicht darauf angewiesen ist, dass es vielleicht auch demokratische, rechtsstaatliche Institutionen gibt, die diese Freiheiten eben gewähren. Oder ob es da überhaupt einen Zusammenhang gibt.
(Dr. Philipp Schink)
Spannende Frage. Wie oft in dieser Freiheitsdiskussion kann man nur sagen, es hängt davon ab. Und es hängt davon ab, was man für ein Freiheitsverständnis hat.
Hat man so ein liberales Freiheitsverständnis, wie Isaiah Berlin zum Beispiel vorgestellt hat, dann sagt man, das ist ein kontingenter Zusammenhang zwischen Freiheit und Freiheitsgewährung.
Da besteht kein begrifflicher Zusammenhang, sondern das ist eine Angelegenheit sozusagen der Empirie. Und dann können wir in die Welt gucken und können sagen, diese und jene Staatsform schafft es besser als diese andere Form oder wenn überhaupt keine Staaten da sind, diese und jene Organisation von Gemeinschaften schafft es besser als jene oder andere Organisationen. So, da gibt es keinen begrifflichen Zusammenhang.
In der Transition positiver Freiheit gibt es ganz oft diese Idee, gerade in so einer autonomie-theoretischen oder Selbstbestimmungsidee, dass gesagt wird, von der individuellen Freiheit und den Ansprüchen individueller Selbstbestimmung können wir einen Überschlag machen auf die Form von kollektiver Selbstbestimmung.
Und dann ist Freiheit und die Gewährung von Freiheit intrinsisch verbunden mit einer bestimmten politischen Form, nämlich in der Regel einer, die kollektive Selbstbestimmung ermöglicht. Und das ist meistens eine Demokratie. Und dann kann man natürlich sagen, klar, ist dann eine demokratische staatliche Ordnung möglich.
Eine zwangsbewährte Ordnung in diesem Punkt ermöglicht dann überhaupt eine Gewährleistung eines bestimmten etablierten und demokratisch verabschiedeten Sets von Freiheitsrechten oder Freiheitsmöglichkeiten. Und die ist gegeben, dass Leute sich darin bewähren können. Dann ist es natürlich eine riesenspannende Diskussion, dass man nochmal sagt, naja - Wie ist eigentlich das Verhältnis zwischen Freiheit und Rechten genau gesehen? Ist das einfach eine kontingente Art der Positivierung von Freiheit?
Die könnte aber auch in andere Art und Weisen gewährleistet werden. Oder hängt an diesem Rechtscharakter wirklich mehr dran?
Dass es das Einzige ist, was wir sozusagen haben, um Freiheit wirklich positiv und auf Dauer zu bringen.
Und das hat damit was zu tun, bin ich frei in dem Verhältnis zu anderen Personen, wenn nur faktisch eine andere Person nicht in meine Bereiche eingreift. Denn dann könnte ich mir eine Gesellschaft vollkommen ohne positive Rechte vorstellen. Dann könnte ich mir eine Gesellschaft vorstellen, die aus lauter gutwilligen Menschen besteht und die alle zwar über unterschiedliche Stärke und Macht einander gegenüber verfügen, aber die selber, weil sie halt gutwillig sind, niemals davon Gebrauch machen würden.
Dann brauche ich überhaupt keine Rechte. Wenn ich mir quasi eine Welt vorstellen könnte von lauter solchen Individuen, wozu dann erfüllen Rechte keine Funktion mehr, sondern es ist einzig der gute Wille, der dann da zählt.
Oder nehme ich Abstand von so einer Vorstellung. Abstand von so einer Vorstellung zu nehmen, kann man sozusagen auch aus heuristischen Gründen. Weil man denkt, naja gut, ein freies Verhältnis zu einer anderen Person zu haben, scheint doch was mit einer Dauerhaftigkeit von diesem Verhältnis zu tun zu haben. Und nicht nur von dem Moment des Nicht-Eingreifens in das Leben einer anderen Person. Ich bin doch erst dann, und ein berühmter Philosoph Philip Pettit hat das mal gesagt, ich bin doch erst dann frei im Verhältnis zu einer anderen Person, wenn ich der Person in die Augen schauen kann.
Und in die Augen schauen ist natürlich, Pettit verfolgt so einen Neorepublikanismus, das heißt, da ist eine Menge sozusagen republikanisches Pathos dabei, wenn ich erst einer potenziell mächtigeren Person in die Augen sehen kann und hohl lachend sozusagen sagen kann, ich mache nicht das, was du willst. Das ist damit gemeint.
Und dann ist diese Vorstellung, das kann doch erst noch, wenn wir das haben wollen, dann müssen wir Instrumentarien in die Welt bringen, die genau diesen Aspekt schaffen zu gewährleisten.
Stabile Charakteristika von Verhältnissen, die nicht von den Kontingenzen der Gutwilligkeit oder so abhängen.
(Marc von der Linde)
Das Alien konnte in Europa und in den meisten anderen Staaten der Welt große Unterschiede in den Zugängen der Individuen zu materiellem Wohlstand erkennen. Das Alien ist verwundert darüber, dass es von staatlicher Seite eine so starke Hervorhebung der Relevanz von Freiheit gibt - und dann die Unterschiede im Grad der Freiheit der Menschen so unterschiedlich sind, dass es fast den Anschein bekommt, es gäbe verschiedene Arten von Freiheiten.
Inwiefern hängen das in kapitalistisch geprägten Gesellschaften vorherrschende Verständnis von Freiheit in Bezug auf Konsum und politische Freiheiten zusammen?
(Dr. Philipp Schink)
Je nachdem, was man für ein Freiheitsverständnis eigentlich überzeugend findet, kommt da eine ganz unterschiedliche Antwort auf diese Frage raus.
Wenn ich davon ausgehe, dass zum Beispiel das Recht auf Privateigentum und damit jetzt auch nicht nur sozusagen das Recht auf, ein nicht weiter bestimmtes oder qualifiziertes Recht auf Privateigentum, ein ganz wesentliches Freiheitsrecht ist - und das ist in liberalen Gesellschaften so, es ist als ein Menschenrecht sogar niedergelegt -dann werde ich davon ausgehen müssen, dass in Gesellschaften immer massive Machtunterschiede sind.
Menschen produzieren etwas, beeinflussen durch ihre Produktionsentscheidungen, wo wird etwas investiert, welche Arbeitsplätze schaffe ich, und dadurch werden massiv andere Menschen natürlich in ihrem Leben beeinflusst.
Jetzt ist die Frage, ist das eine Freiheitseinschränkung, was da stattfindet, oder ist das nur eine dieser vielen Beeinflussungen?
Das hängt natürlich davon ab, was ich als Freiheit dann an diesem Punkt verstehe und wie ich denke, dass das positiviert wird.
Wenn man jetzt mal davon ausgeht, dass Freiheit eigentlich mal dazu da war, ein Verhältnis zwischen Menschen zu bestimmen, bei der die eine Seite nicht der Macht der anderen unterliegt, dann komme ich relativ schnell auf die Idee, dass ein Set von Freiheitsrechten, was unterschiedliche ökonomische Machtmöglichkeiten ermöglicht, oder unterschiedliche Macht, Potenziale oder sowas ermöglicht, dass das nicht freiheitlich zu bezeichnen ist, sondern dass es da massiv zu Freiheitseinschränkungen kommt von Menschen und dass das nicht neutral ist.
Die Frage ist, wie erklärt man das eigentlich?
Erklärt man das so, dass man sagt, naja, zur Freiheit, ich bin doch erst dann frei, wenn ich auch die Möglichkeiten habe, bestimmte Vorstellungen in meinem Leben umsetzen zu können. Das kann man in einer exzentrischen Weise machen.
Nur bin ich erst dann frei, wenn ich die Möglichkeiten habe, meine hochidiosynkratischen Vorstellungen eines guten Lebens zu verfolgen.
Oder ist Freiheit doch etwas, was immer sagt, nein, wir müssen diese Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stellen, immer im Hinblick auf andere Akteure, zu denen wir uns in einem Verhältnis befinden, entwerfen.
Sodass wir dann immer fragen, naja klar, Freiheit ist eine Angelegenheit in der Welt, in der wir leben, der Verfügung über materielle Güter. Aber immer im Hinblick auf andere Menschen, die auch in dieser Welt über materielle Güter verfügen.
Sodass es sozusagen trivial formuliert ist, wenn ich eine Arbeiterin bin, und ich bin auf Gedeih und Verderb jemandem ausgeliefert, mich anzustellen, weil es keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten oder sowas gibt, und diese andere Person hat die Möglichkeit, sozusagen den Daumen zu heben oder zu senken und über die Lohnhöhe völlig zu bestimmen, oder im Rahmen von innerkapitalistischer Konkurrenz, dann wäre es doch absurd zu sagen, dass ich im Verhältnis zu dieser Person frei bin.
Wenn wir sozusagen in einem Staat mit anderen Freiheitsrechten leben würden, bin ich sicherlich im Verhältnis zu anderen Dingen frei. Also die Person könnte mir nicht meine religiösen Überzeugungen oder sowas diktieren.
Aber sie kann massiv in mein Leben eingreifen und das hat natürlich massive Auswirkungen auf gesellschaftliche Ordnungen. Verteidigerinnen von einem harten liberalen Freiheitsverständnis würden natürlich sagen, ja, das mag alles sein, dass das Beeinflussungen sind. Aber wir erschließen das nicht mit dem Freiheitsbegriff, sondern das ist ein anderer Satz. Und da muss man darüber reden, warum sollte man einen anderen Begriff nehmen. Ein guter Grund, das mit dem Freiheitsbegriff zu erschließen, ist natürlich, weil es so ein zentraler Wert ist.
Und er hat auch eine Funktion. Wenn ich über Freiheitseinschränkungen in der politischen Debatte rede, hat das eine ganz andere Funktion. Da gehen die Alarmglocken an. Das ist was anderes, als wenn ich sage, das ist einfach nur sozusagen ein unpleasant behavior of someone else oder sowas. Das ist so ein bisschen Diskussion.
Aber im Kern, genau, ist es die Frage: Hat Freiheit was damit zu tun, dass ich bestimmte Lebensmöglichkeiten, ein bestimmtes Lebensniveau habe, ja oder nein? Kern negativer Freiheit würde sagen, nein, das hat damit nichts zu tun.
Zweite Frage ist, wenn es was mit materiellen Gütern dennoch zu tun hat, in welcher Weise hat es was damit zu tun? Und da kann man dann sagen, es hat vielleicht was damit zu tun, dass das Verfügen über materielle Güter eine Auswirkung darauf hat, was für eine Stellung ich vis-à-vis anderen gegenüber habe.
(Marc von der Linde)
Zerstört die scheinbare maßlose Konsumfreiheit einiger weniger Bevölkerungsgruppen nicht grundlegende Freiheiten vieler anderer?
(Dr. Philipp Schink)
Naja, real auf alle Fälle.
Also so wie die Welt beschaffen ist, kann man sagen, natürlich. Konsumgesellschaften haben ein unheimlich großes Produktionsniveau. Dieses Produktionsniveau ist auf irgendwelche Ressourcen angewiesen. Und die werden da vernutzt.
Und jetzt kann man natürlich sagen, die Welt ist endlich. Das ist das grundsätzliche Problem, das Vernutzen von Ressourcen allgemein.
Und dann kann man immer die Frage stellen, muss es 25 Vanille-Joghurts geben, was ist denn das? Reicht da nicht ein Joghurt und die Ressourcen für die 24 anderen, die benutzt man meiner Meinung nach nur für Kirschjoghurt dann. Das ist die eine Frage.
Die andere Frage ist natürlich, wenn man eine Konsumkultur hat in der Produktion negative Konsequenzen, negative Folgen für andere hat. Also Produktion bedeutet Vernutzung, bedeutet Umwandlung und das bedeutet normalerweise irgendeinen Ausstoß von Abgasen, CO2 oder irgendwas und das hat massive Folgen für andere Produkte.
Es ist klar, mit der Industriegesellschaft sind all diese negativen Externalitäten sozusagen durch die Decke gegangen und jetzt haben wir den Salat mit dem massiven Klimawandel und sozusagen den Folgen, die wir tagtäglich in der Welt beobachten können und die natürlich die Schwächsten der Schwachen immer zuerst treffen und nicht die Gesellschaft mit einem extrem hohen Wohlstandsprofil.
Ausnahme kann jetzt durch diese Starkwetterereignisse sein, die man ja sieht, vom Ahrtal bis jetzt zu Valencia oder sowas hin. Da trifft es ja jetzt nicht sozusagen global gesehen die Schwestern der Schwachen.
Eine zweite Frage ist aber natürlich, und darauf geht, glaube ich, die Frage ja auch hin, inwieweit eine Konsumfreiheit eigentlich, selber Freiheit am besten ausdrückt.
Und da könnte man sagen, naja, Freiheit wird in diesem, in so einem Verständnis wird Freiheit als Funktion, der mir offenen stehenden Wahlmöglichkeiten begriffen.
Je mehr Wahlmöglichkeiten ich habe, umso freier bin ich.
Auch hier, was spricht eigentlich für so ein Freiheitsverständnis? Ein ganz trivialer Hinweis ist zu sagen, es ist ein bisschen komisch, wenn wir das als Funktion einfach von offenen Wahlmöglichkeiten haben, wir würden die doch gerne qualifizieren können. Also was wir eben schon hatten, wenn ich 25-mal mehr oder weniger die gleiche Option habe, dann scheint das ein komisches Freiheitsverständnis zu sein.
Und das wird relativ häufig in der Kapitalismuskritik vorgebracht, dass gesagt wird, der Kapitalismus ist eine Maschine zur Produktion des Immergleichen mit leichter Differenz. Und dadurch kommt es zu einer wahnsinnig unsinnigen Form von Allokation gesellschaftlicher und natürlicher Ressourcen. Und das ist quasi eine nicht sonderlich gute Art und Weise, damit umzugehen.
Ist Freiheit hier wirklich das zentrale Problem? Ich würde sagen, als Ridikülisierung oftmals ab den 50er Jahren dieses American Way of Life und des Fordismus und Taylorismus und dieser damit zusammenhängenden sozusagen aufsteigenden Konsumgesellschaft, da mag das vielleicht so ganz nett sein.
Insgesamt, glaube ich, ist dieser Zugang zur Freiheitsthematik oder auch diese Kritikweise ein bisschen stumpf geworden oder sowas.
Diese große Frage, die vielleicht dahintersteht, ist ja, inwieweit wir selbst wenn wir ein bestimmtes Freiheitsrecht haben, an uns Ansprüche wechselseitig anlegen sollten, dass wir von diesem Freiheitsrecht nur in einer ganz gewissen Weise, nämlich in einer reflektierten Weise Gebrauch machen sollen.
Und das Problem, glaube ich, besteht natürlich weiterhin. Nur weil wir dahin gekommen sind, dass wir sage, wir wollen uns nicht wechselseitig vorschreiben, was wir für Konzeptionen eines guten Lebens haben, bedeutet das nicht, dass wir damit uns eine carte blanche geben, dass wir uns möglichst asozial in unserem Leben benehmen dürfen solange wir noch im Rahmen des Erlaubten sind.
Natürlich können wir eine Kritik, ich weiß halt nicht, ob das mit Rekurs auf den Freiheitsbegriff ungefähr da gewährleistet werden muss, aber natürlich können wir an Joyrider wie Ulf Poschardt oder sowas eine Kritik üben, dass wir sagen, es mag ja sein, dass es hier in der Bundesrepublik das Recht gibt, mit 180 über die Autobahn brettern zu dürfen.
Und es mag sogar sein, dass wir keinen Staat haben wollen, der das reguliert, Weil das nämlich Auswirkungen in anderen Bereichen hätte, so ein regulativer Eingriff, den wir vielleicht gar nicht haben wollen. Aber das heißt dennoch nicht, dass wir die moralische Fahne ganz oben jetzt erreicht haben und sagen können, du kannst jetzt machen, was du willst.
Das ist, glaube ich, das hatten wir ja vorhin, das ist immer so ein fundamentales Missverständnis, dass wenn man denkt, nur weil man quasi die Freiheit hat, etwas zu tun, im Englischen sind es die Liberties to do something, dass wir deswegen das auch tun sollten. Und dass wir deswegen einander auch nicht mehr da sozusagen nicht mehr kritisierbar sind. Das ist ja Quatsch.
Und ich glaube, dass das Alien Schwierigkeiten hätte, genau zu verstehen, wo man eigentlich in so einer komplizierten, auch historischen Situation, das ist ja, diese ganzen Freiheitsvorstellungen sind uns ja historisch überkommen und die haben ganz stark etwas mit konkreten gesellschaftlichen Konflikten und Problemlagen zu tun, die man dann versucht hat, mit dem Begriff der Freiheit möglichst gut zu erschließen.
Und das war ja in dieser tollen ersten Frage, wo das Alien hinkommt, und merkt, okay, es ist eine Art friedliches Zusammenleben und das wird als freiheitliches Zusammenleben beschrieben.
Wie hängt dieses friedliche Zusammenleben mit diesem freiheitlichen Zusammenleben eigentlich zusammen?
Und ich glaube, das ist unter aktuellen Bedingungen, unter Fragen des Klimawandels und anderen Sachen, sind das natürlich Fragen, die ganz stark da sind.
Und die große Frage ist dann sozusagen, wie gehen wir in einer Gesellschaft mit Leuten um, in der wir permanent Leute haben, die nicht gewillt sind, einen umweltbewussten Gebrauch ihrer eigenen Freiheit zu machen.
Und dann kommen Leute an, die sagen, ja, dann müssen wir das halt mit staatlichem Zwang sanktionieren. Und das sind, würde ich sagen, na klar, das sind dann Freiheitseinschränkungen. Von bestehenden Aufteilungen von Freiheit ist das eine Einschränkung. Ist es vielleicht eine gerechtfertigte Einschränkung?
Na, ich würde denken, klar, logisch ist das eine gerechtfertigte Einschränkung. Mir fällt kein gutes Argument ein, warum man das nicht einschränken sollte an diesem Bereich. Aber eben, wie gesagt, weil es halt andere Werte gibt, und die muss man ins Verhältnis zu dem Wert der Freiheit setzen. Und das ist eine sehr delikate Balance, die man da treffen muss.
Und vielleicht gibt es bestimmte Bereiche, bei denen man sagt, naja, wir wissen zwar nicht, ob das negative Folgen in anderen Bereichen haben wird, aber wir fangen mal an, diesen Bereich stärker zu regulieren.
Und der große Vorteil ist natürlich, dass in den Demokratien, vielleicht noch gegenüber anderen Staatsformen haben, dass Dinge immer wieder vorgelegt werden können.
Und dass man sozusagen in einem Trial-and-Error-Verfahren auch bestimmte Einschränkungen ausprobieren kann, um dann zu merken, es hat doch negative Folgen gehabt, die wir nicht bereit sind zu tragen. Und dann kann man es versuchen, wieder in einer großen gesellschaftlichen Debatte quasi wieder umzubiegen und in eine andere Form.
(Marc von der Linde)
Dem Alien ist nun bereits vieles klarer geworden. Der Begriff der Freiheit erweckt zwar auf den ersten Blick Ideen von Maßlosigkeit und des Exzesses, aber dem Alien wurde auch bewusst, dass es eben Grenzen und Prämissen dieser Idee von Freiheit gibt.
Das Individuum ist somit immer in einem gewissen Rahmen frei. Diesen Rahmen darf das Individuum frei füllen mit allen Träumen und Visionen, die ihm innewohnen.
Nun denkt das Alien, aber solch eine Vorstellung einer freien Gesellschaft scheint doch immer davon abhängig zu sein, dass es genügend Individuen innerhalb dieser Gesellschaft gibt, die diese Ideale in ihrem Leben unterstützen und mittragen wollen.
Impliziert die Abwesenheit von Zwängen eine Übergabe der Verantwortung an das Individuum, die eigene Freiheit für sich selbst und im Sinne der Gemeinschaft zu nutzen?
Und besteht dann doch ein subtiler Zwang, sich den Idealen und Werten der Gemeinschaft anzupassen?
Muss man ein Leben in Freiheit also in gewisser Weise lernen?
Also ist ein Leben in Freiheit also immer etwas, was man der jeweiligen Gesellschaft entsprechend lernen muss?
(Dr. Philipp Schink)
Tolle Frage, sehr spannend, sehr kompliziert.
Ganz schnell darauf geantwortet, also ich denke, es gibt tatsächlich einen Zusammenhang ganz stark mit Verantwortungszurechnungen im Guten wie im Schlechten und dem Bestehen von Freiheit.
Man kann sagen, das ist so eine Art Grundbedingung, weil wenn ich zu irgendwas gezwungen bin, dann trage ich keine Verantwortung zu diesem Handeln, weil ich habe, ja nicht anders handeln können, ich bin ja dazu gezwungen worden und so weiter. Und wenn wir dann versuchen zu gucken, okay, wer ist denn jetzt für diese Misere verantwortlich, dann gucken wir zu der Person, die den Zwang ausgeübt hat und nicht zu mir. Das ist so ein bisschen der eine Punkt.
Aber Verantwortung, kann man auch sagen, schlägt natürlich in die andere Seite auch aus. Weil ich sagen kann, naja, wenn ich sozusagen Freiheitsräume zurechne, dann kann ich ganz schnell sagen: Was du dann mit dieser Freiheit machst, obliegt dann vollständig dir.
Und dann kannst du keine Ansprüche mehr an mich stellen, dass ich dir über dieser Freiheit hinaus zu irgendwas weiterverhelfe.
Es gibt Gedankenexperimente, die in diesem Bereich durchgeführt worden sind.
Dass man sagt: Wenn wir davon ausgehen, dass es eine egalitäre Grundverteilung gibt.
Alle Personen hätten 5 Euro zu Beginn des Versuchs. Und diese Personen würden jetzt mit ihrem Geld bestimmte Investitionsentscheidungen treffen und würden nach einer Runde, nachdem sie diese Investitionsentscheidung getroffen hätten, ein paar Jahre wäre es gegangen und wir hätten gesehen, dass sie unterschiedlich kluge Investitionsentscheidungen getroffen hätten und infolgedessen hätten manche sozusagen einen Zugewinn zu diesen 5 Euro und andere hätten weniger. Manche wären sozusagen ganz mittellos geworden.
Und jetzt ist die Frage, okay, haben die Leute, die kluge Investitionsentscheidungen, die jetzt über Güter verfügen, meinetwegen, oder einfach nur ein paar Euro mehr, haben die irgendwelche freiheitsbasierten Verpflichtungen gegenüber den Leuten, die jetzt mittellos sind. Das ist eine große Frage.
Da haben viele sogenannte libertäre oder neoliberale Philosophen, ganz berühmt hat das mal Robert Nozick in Anarchy, State and Utopia gemacht, haben gesagt, nein. Denn wenn wir jetzt anfangen, Gelder zu transferieren, greifen wir in deren Handlungsbereichen ein, Und Gelder transferieren heißt ja sozusagen in der Realwelt Besteuerung.
Dann sind die Zwangsmaßnahmen, dann greifen wir in deren Freiheit genau ein. Das bedeutet, nach so einem Motto ist Verantwortung total wichtig, weil wir nämlich die Verantwortung geht mit Freiheit einher. Wir tragen dann für all unsere Entscheidungen selber die Verantwortung.
Und andere Personen können auch aus Benevolenz geneigt sein, uns zu helfen, aber es besteht nicht mehr wirklich eine harte Pflicht oder sowas, weil die kann nur freiheitstheoretisch basiert sein. Und das wird auch in der Freiheitsdiskussion immer benutzt, weil natürlich gesagt wird, warum soll ich, weil eine Person, und das wird gerade im sozialpolitischen, Bereich immer permanent benutzt. Warum soll ich für die Fehlentscheidung einer anderen Person, warum soll ich dafür, dass eine andere Person nicht leistungswillig ist oder was auch immer, warum soll ich dazu aufkommen?
Wenn ihr das von mir verlangt, dann fangt ihr an, mich zu zwingen und eigentlich ist die andere Person der Fall. Also solche Gedanken kommen da immer wieder auf, das sind Gedanken, die sehr stark auch wieder Auftrieb erlangen.
Wir finden das in Argentinien ganz stark, wir finden das in den USA permanent im Diskurs, wir haben das in England aber auch und wir haben das in Deutschland auch natürlich in der Bundesrepublik oder in Europa insgesamt solche Gedanken.
Und das führt dann dazu, in letzter Instanz, dass man sagt, naja, wenn jeder sozusagen seines Glückes Schmied ist, dann können wir alles, was darüber hinausgeht, nachdem wir so eine Art egalitäre Verteilung von Freiheitsrechten etabliert haben, nichts weiter voneinander verlangen.
Und faktisch bedeutet das, der Wohlfahrtsstaat ist damit raus. Und attackieren kann man solche Argumente natürlich immer, dass man sich nochmal genau diese Verbindung von Freiheit, was für Freiheitsrechte sind das, was ist das für ein Freiheitsverständnis eigentlich und Verantwortung dann anschaut. Und dann eben schaut, sind es plausible Freiheitsverständnisse, die da im Hintergrund sind, ist es eine plausible Form der Verantwortungsattribution, auf welcher Grundlage erfolgt die eigentlich und so weiter.
(Marc von der Linde)
Das Alien denkt in vergangenen Zeiten, seine Existenz zu beginnen, wurde es nach bestimmten Ideen gebildet. Bei der Besinnung auf das Thema der politischen Freiheit denkt das Alien: Die Individuen einer Gesellschaft müssten auch in ähnlicher Weise ge-bildet sein; ja - die Wahrnehmung und Vorstellung eines guten Lebens der Individuen müsste in jedem Individuum neu gebildet werden.
Ohne die Bildung der Individuen gerät politische Freiheit in Gefahr, denn nur mittels freier Bildung können Individuen ihre eigene innere Freiheit kultivieren - oder etwa nicht?
(Dr. Philipp Schink)
Zum Beispiel John Stuart Mill. Das ist ein klassischer Liberaler, würde man sagen. Und der hat eine bestimmte perfektionistische Vorstellung von Selbstverwirklichung auch verfolgt. Und der hat den Nutzen von Freiheit ganz klar darin gesehen, dass der Menschen einen Spielraum öffnen würde, indem sie ihre idiosynkratischen und auch durchaus exzentrischen Vorstellungen eines guten Lebens ausbilden könnten.
Sodass Freiheit quasi Nutzen in der Perspektive hat, wie Menschen selber das Gute für sich herausfinden können.
Und er hat das Experiments in Life genannt, dass man selber in einer Art Trial-and-Error-weise einen Raum hat, in dem man sich ausprobieren kann und dann immer mehr herausfinden kann, was ist eigentlich eine Vorstellung von einem guten Leben, was resoniert, was ist ein gutes Leben. So, dass man auch da eine Verbindung hat quasi mit diesen Entwicklungen, mit einer Bildung eines Individuums und Freiheit.
Nur wird Freiheit da selbst quasi vorgelagert. Es ist ein Ermöglichungsraum in den Personen. Und sie müssen den natürlich nutzen. Das sagt ja schon der Nutzen von Freiheit. Und das muss dann auch genutzt werden. Wenn das der Weg ist, dann können es Leute nur selbst.
Und man kann sie nicht dazu zwingen. Man kann sie vielleicht ein bisschen stupsen und man kann sie ermutigen oder so, aber man kann sie nicht dazu zwingen selber gute Vorstellungen eines guten Lebens rauszukriegen.
Eine andere Frage ist: In der Transition positiver Freiheit sagt man ja manchmal, naja, Freiheit besteht einfach darin, dass ich mich selbst verwirkliche oder Freiheit besteht darin, dass ich gemäß bestimmter objektiv zu erkennende Vorschriften oder Entwürfe oder sowas lebe.
Wenn das der Fall ist, dann binde ich ja Freiheit immer an etwas anderes und dann sage ich natürlich auch, Freiheit ist nur auf einer bestimmten Art und Weise zu haben.
Nämlich nur, wenn ich das in actu oder wie Charles Taylor, das ist ein Philosoph des 20. Jahrhunderts, der ganz viel zu Freiheit auch geschrieben hat. Und der in der Kritik an Isaiah Berlin so ein bisschen gesagt hat, Freiheit ist doch ein Ausübungs-, ein Exercise-Konzept.
Manchmal wird das auch mit Verwirklichungskonzept benannt. Und wenn man so eine Vorstellung hat, dann denkt man natürlich nur, dass Freiheit darin besteht, einen bestimmten Prozess zu vollziehen und etwas Bestimmtes zu tun. Und das kann man nicht in einer anderen Weise haben, außer man macht es sozusagen selbst.
So ganz trivial formuliert würde ich mal sagen, unabhängig ob es da einen begrifflichen Zusammenhang mit Freiheit gibt oder nicht.
Natürlich basieren freiheitliche Ordnungen in unserer realen Welt, nicht auf der begrifflichen Ebene. In unserer realen Welt können wir ganz getrost davon ausgehen, dass freiheitliche Ordnungen nur dann bestehen, wenn Menschen selber den Wert von Freiheit verstehen und wenn sie auch in ihrem eigenen Leben diesen Wert wiederfinden.
Wenn das nicht der Fall ist, dann erodieren diese Ordnungen einfach und dann ist es relativ schnell vorbei mit der Freiheit. Also wenn es ein ganz großes autoritäres Bedürfnis wieder bei Menschen gibt, wenn Menschen meinetwegen überfordert sind von einem ständigen neoliberalen Diktat, dass man permanent selbst sich hier verwirklichen muss oder dass man permanent selber hetzen muss, um das eigene Leben zu schaffen.
Und wenn man sozusagen diesen Raum von Möglichkeiten, in dem man ständig Entscheidungen treffen kann, als Überforderung begreift - dann kann das ganz schnell umschlagen und dann sagt man, naja, ich möchte mit dieser Freiheit nichts mehr zu tun haben, weil die überfordert mich.
Und die führt eigentlich nicht dazu, dass ich ein gutes Leben führe, sondern die führt dazu, dass ich eigentlich von den Entscheidungen, die ich permanent treffen muss, so was von ausgelaugt bin, dass ich mir endlich mal so einen ganz festen Lebensweg vorstelle.
Und wenn nun andere da sind, die über diese Spuren entscheiden, dann ist das für mich entlastend. Und das ist auch immer so etwas, wo man gucken muss, wo schlägt ein zu viel in das Bedürfnis nach etwas anderem um oder sowas.
Und vielleicht kann man diese autoritären Tendenzen, die es zum Teil gibt, die es aktuell gibt, als ein Syndrom der Erschöpfung nach 40 Jahren Neoliberalismus interpretieren, wo einfach Individuen an den Rand gedrängt sind und sagen, das will ich so nicht mehr. Und dann wird es natürlich gefährlich.
(Marc von der Linde)
Dem Alien kommt noch ein letzter Einwand.
Die unterliegende Prämisse der Frage, wie der Interviewer zur Erfüllung des Begriffs der Freiheit stellte, stellt scheinbar eine Gutmütigkeit vieler Menschen zugrunde.
Ist der Mensch aber nicht auch frei in der Entscheidung, sich gegen die Würde anderer Menschen zu wenden und sich für das Böse zu entscheiden?
(Dr. Philipp Schink)
Ja gut, da habe ich eigentlich keine Antwort drauf. Trivial formuliert würde ich sagen, ja, na klar.
Ich frage mich so ein bisschen, ob wir eigentlich bei diesen Kategorien vom Bösen, Guten, wenn wir die noch weiter haben können und wenn wir denken, dass die noch, also zumindest bei dem Bösen, ob das noch Sinn macht, wenn wir das aus einer bestimmten religiösen Geschichte rauslösen, ob wir dann eigentlich mit so einer Kategorie noch Sinn machen.
Aber wenn wir das ein bisschen quasi niederstufiger hängen und sagen: Naja, ist es nicht auch eine freie Entscheidung von Menschen oder gehört es nicht zu der Freiheit, wie wir sie hier in den Ordnungen, meinetwegen Europas, vorfinden dazu, dass Menschen sich dazu entscheiden, amoralisch zu sein oder nicht moralisch zu sein.
Oder dass sie meinen, dass sie einander nichts, was über Rechte hinausgeht, dass sie darüber nichts einander schulden. Können sie sich nicht dazu aufraffen?
Klar, man sieht es doch von morgens bis abends, dass Menschen das machen. Und dass das auch ein Bestandteil von diesen Freiheitsrechten ist, weil das natürlich, auch wenn, wir hatten das vorhin im Gespräch, auch wenn so klassische Liberale gesehen haben, wir können die Menschen nicht zum moralisch richtigen Handeln zwingen, weil wir durch den Zwang quasi die moralische Motivation und die moralische Einsicht selbst unterdrücken.
Sozusagen ersetzt Zwang stückweise die moralische Einsicht und Menschen hören dann auf, in the long run selber sich als moralische Wesen zu verstehen, sondern sie denken dann einfach nur, ich bin ja hier permanent dazu gezwungen, ich sehe gar nicht mehr quasi den Grund, dass das moralisch gut begründet ist oder so.
Aber auch die, quasi dieser Liberalismus, hat ja quasi eingepreist, dass dennoch, wenn wir solche Freiheitsräume eröffnen, Menschen auch von denen quasi Gebrauch machen, in einer Weise, die sie nicht zu darüberhinausgehendem moralischem Handeln oder sowas treibt. Von daher, klar.
Ich glaube, das ist immer eine, also wie gesagt, das deutet nochmal darauf hin, dass Freiheit vielleicht nicht so der Masterwert ist, auf den alle anderen Werte reduzierbar sind, sondern dass das ein Wert ist, der eine ganz spezifische Funktion erfüllt. Und das ist eine wahnsinnig wichtige Funktion. Aber sie ist eben nicht eine, die alle Bereiche abdeckt.
Wir sind auf andere Werte, andere Begriffe angewiesen, um dieses komplizierte menschliche Miteinander, was wir haben, sinnvoll erschließen zu können und auch sinnvoll verstehen zu können.
Und es hilft oft nicht, wenn wir so einen One-Fits-All-Begriff versuchen zu etablieren, der dann unscharf an den Rändern wird, der bestimmte Phänomene nicht mehr gut in den Griff kriegt.
Und dann ist es oft besser, man versucht Begriffe enger zu ziehen, um denen dann aber eine spezifische Funktion in unseren praktischen sozialen und politischen Kämpfen und Konflikten und meinetwegen auch Diskussionen zuweisen zu können. Das ist der Punkt.
Aber diese Frage, aus einer europäischen Perspektive gesehen, kann dieses fragile Europa, kann das funktionieren, wenn nicht mehr die Bürger und Bürgerinnen Europas in einem überwiegenden Teil sich mit diesem Projekt identifizieren und auch versuchen selber, für diese freiheitliche Ordnung einzustehen oder sogar meiner Meinung nach im besten Fall die sozusagen massiv zu erweitern und eine kritische Perspektive auf diese Ordnung zu haben, in dem Verständnis, dass die vielleicht auch nicht tatsächlich eine vollumfängliche Freiheit realisiert, sondern selber auch nur ein Ausdruck einer bestimmten gesellschaftlichen Situation mit einem bestimmten Machtverhältnis ist und auch immer eine Aufrechterhaltung dieses Machtverhältnisses in diesem Bereich einer bestimmten Eigentumsordnung vor Augen hat.
Aber wenn man nach einem Bestand von so einer Ordnung fragt und denkt, dass die Menschen nicht für den Bestand eintreten, dann gibt es keine Ordnung.
Es rettet uns kein höheres Wesen, das gilt auch da. Also auch kein Alien.
(Marc von der Linde)
Auch wenn die demokratische Freiheit im Realen immer an tatsächliche Institutionen gebunden ist, die diese gewähren und schützen - sie scheint auch eine allgemein menschliche Idee zu sein, die internationale Strahlkraft besitzt.
Dem Alien stellt sich die Frage: Wenn sie sowohl ein Ideal ist, das es umzusetzen gilt; als auch ein tatsächlicher Zustand - dann müsste es doch in jedweden politischen Systemen Möglichkeiten geben, diese zu erhalten oder zumindest den Weg für die Schaffung dieser zu ebnen.
Der Weg zur Verwirklichung dieses Ideals scheint komplex zu sein, aber unabhängig von Herkunft oder Prägung, gibt es für Menschen einen Weg, sich international für Freiheit einzusetzen?
(Dr. Philipp Schink)
Also es gibt ja tausend unterschiedliche Wege und Möglichkeiten.
Man kann sich wirklich überall im Kleinen wie im Großen für Freiheit einsetzen. Sich für Freiheit einzusetzen, bedeutet auch quasi in der eigenen Klasse, im eigenen Klassenverband an der richtigen Stelle für die freie Rede von irgendjemand, den die anderen nicht anhören wollen, einzutreten.
Aber auch gleich sozusagen dafür einzutreten, dass vielleicht bei der Freiheit der Meinungsäußerung nicht dazu gehört, dass man jetzt andere immer hören muss oder sowas. Meinungsfreiheit bedeutet ja nicht, dass andere einen anhören müssen, sondern nur, dass man selbst rauströten kann, was man gerade denkt. Und nicht, dass die anderen dann zum Empfangen gezwungen sind oder so.
Aber ansonsten ist das ja eine Frage, die, glaube ich, Philosophen nicht so gut beantworten können, sondern die alle am besten für sich beantworten können.
Natürlich ist es eine Frage, einerseits können sozusagen kämpfen Menschen überall auf der Welt, auch wenn sie nicht in liberalen Verfassungsstaaten, demokratischen Verfassungsstaaten leben, kämpfen Menschen für Freiheit. Und ich denke, klar, Menschen kämpfen gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Knechtung, das ist überall. Überall gibt es Verhältnisse von Freiheit für einige und Unfreiheit für andere.
Und sich da sozusagen auf die Seiten der Schwachen, denen die Freiheit genommen oder deren Freiheit eingeschränkt ist, zu stellen, das kann man in vielfältiger Weise. Mit diesem Beispiel, man kann es in ganz klein machen.
Und man kann es in größeren Sachen machen. In größeren Sachen heißt es letztendlich, sich in irgendeinem Bereich politisch zu engagieren und für die Freiheitsrechte einzutreten.
Dann ist die große Frage, will man das im Rahmen des Bestehenden machen? Also will man für liberale Freiheitsrechte eintreten oder - da fängt man an, in Kreisen zu arbeiten, die sagen, dass auch das Verfügen über materielle Möglichkeiten dazu bestimmt oder die sagen, dass bestimmte politische Rechte nicht nur auf den politischen Bereich beschränkt werden sollten, sondern auch im ökonomischen Bereich gelten sollen, sodass es tiefgreifende und weitergehende Rechte sozusagen von Leuten, die in irgendeiner Firma arbeiten, über Produktionsentscheidungen mitbestimmen zu können oder sowas gibt.
Also das sind so Fragen, Wirtschaftsdemokratie, bleibt Demokratie ein rein politisches Prinzip, wird das auf die Wirtschaft ausgedehnt?
Das sind so Fragen. Dann sind es große Fragen, wie kämpft man gegen offensichtlich freiheitseinschränkende unterdrückerische Staaten?
Wie versucht man sich da zu engagieren? Versucht man da Oppositionsgruppen zu stützen? Versucht man erstmal zu verstehen, wer da um was kämpft?
Also da gibt es vielfältige Möglichkeiten, Im Kleinen wie im Großen.
Und ich glaube, man muss sich immer eine Frage stellen: Was kann man selber machen? Und wo kann man möglichst effektiv etwas ausrichten?
Und da gehört immer ein bisschen überlegen und informieren dazu.
(Marc von der Linde)
Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
(Dr. Philipp Schink)
Sehr gerne. Vielen, vielen Dank für das Gespräch. Das hat mir viel Freude gemacht und ich fand die Idee mit dem Alien sehr clever und sehr lustig. Ein sehr guter heuristischer Kniff.
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