Einführung & Platonismus
[Marc von der Linde:]
Hallo, Herr Professor. Dr. Tim Henning.
Wenn In den Nachrichten oder in Bundestagsdebatten von Werten die Rede ist, sind es oftmals Stimmen von rechts, die den Verlust der traditionellen Werte proklamieren. Bezogen wird sich damit vor allem auf nationale patriotische Werte. Nun ist der Wertebegriff, wie ich bereits erkundet habe, deutlich differenzierter und vielschichtiger. Wert ist nicht gleich Wert und eine Bewertung nicht zwangsläufig als negativ und ungerecht zu betrachten.
Drei Kinder, die die vierte Klasse einer Mainzer Grundschule besuchen, waren sich beispielsweise durchaus bewusst, dass andere Meinungen geschützt und respektiert werden sollten. Den Begriff Wert assoziieren sie vor allem mit dem ökonomischen Kontext. Aber sie waren sich einig, dass Menschenleben einen grundlegenden Wert haben, der geschützt werden muss.
Auch wenn sie nicht das Level der Abstraktion erreichen, auf dem moralische Werte stehen, haben sie also durchaus ein intuitives moralisches Bewusstsein über moralische Ideen.
Nun gibt es verschiedene Vorstellungen in der Philosophiegeschichte, wie Moral und moralische Ideen zustande kommen.
Da gibt es einmal den Platonismus, der von herumschwebenden Ideen ausgeht. Können Sie mir das einmal näher erläutern?
[Univ.-Prof. Dr. Tim Henning:]
Auf jeden Fall. Wobei ich sagen würde - herum schweben ist natürlich - Ich verstehe, warum Sie das sagen - Und ein bisschen kann man auch den Eindruck zunächst mal haben, wenn man den Platonismus bekommt, dass es tatsächlich um seltsame Entitäten geht, die irgendwo herum schweben. Aber was damit gemeint ist, ist zunächst einmal eigentlich, dass Werte nicht auf etwas anderes zurückgeführt werden können. Und dass sie vor allen Dingen irgendwie etwas sind, das keine, das keine Konstruktion ist, dass wir nicht erfunden haben und dergleichen, sondern dass wir tatsächlich vorfinden.
Also eine Platonistin würde sagen, wenn die Kinder, mit denen sie gesprochen haben, vollkommen zu Recht davon ausgehen, dass Menschenleben einen bestimmten Wert haben, dann erfassen sie etwas an diesen Menschenleben, das tatsächlich mit bestimmten Ansprüchen verbunden ist. Und dann merken sie, dass ein Menschenleben etwas an sich hat, das danach verlangt, geachtet zu werden, irgendwie unterstützt zu werden und dergleichen.
Und dieser ganz zentrale Eindruck, dass man da etwas, etwas Wirkliches an einem Menschenleben erfasst, das den Wert, dass der Wert dieses Menschenlebens ist, das ist etwas, das Platonist*innen insbesondere hervorheben wollen.
Entdecken der Werte
[Marc von der Linde:]
Also geht es vor allem um etwas, was dem Menschen in gewisser Weise innewohnt und was Menschen in Gesellschaften in gewisser Weise entdecken müssen?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Genau, eher das zweitere. Es hat eher was mit dem Entdecken zu tun und gar nicht unbedingt damit, dass es dem Menschen innewohnt, sondern der Gedanke ist tatsächlich mehr, dass es etwas ist, dass wir in der Konfrontation mit der Welt tatsächlich vorfinden können, dass bestimmte Dinge gut sind oder schlecht, oder dass man bestimmte Dinge machen sollte oder bestimmte Dinge einfach nicht machen darf und dass es gerade nichts ist, was man sich ausgedacht hat und was man sich auch irgendwie anders ausdenken könnte, sondern dass die Welt sozusagen eine Seite hat, die bestimmte Dinge von uns verlangt, also zum Beispiel Respekt oder Achtung oder Wertschätzung und dergleichen.
[Marc von der Linde:]
Nun, gehen diese Vorstellungen von Wertschätzung und Respekt natürlich auch in gewisser Weise einher mit gewissen Vorstellungen einer Gesellschaft und wie das Zusammenleben aussehen sollte.
Steht das nicht ein Stück weit in Widerspruch zu diesem Anspruch, dass es etwas ist, was wir entdecken können in der Welt?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Das würde ich erst mal nicht sehen. Also es können ja Dinge, die wir erfunden haben, einen bestimmten Wert haben, ohne dass der Wert deshalb etwas Erfundenes wäre. Und wenn, genauso wie wir feststellen können, dass ein Menschenleben einen bestimmten Wert hat. [Dann] können wir eben merken, dass bestimmte Weise miteinander umzugehen oder bestimmte Absprachen zu treffen und sich daran zu halten, dass bestimmte Praktiken, die wir so pflegen, ebenfalls etwas Wertvolles oder Gutes sind.
Aber deswegen sind natürlich die Praktiken und die Formen des Zusammenlebens, die sind natürlich eine menschliche Erfindung, aber dass die was Gutes an sich haben oder was Schlechtes, das ist eben etwas, was wir gerade nicht als etwas Erfundenes erleben.
Und glaube ich, auch gar nicht erleben können. Ich würde sagen, wenn wir uns Werte als etwas einfach Erfundenes oder in die Welt projiziertes Denken könnten, dann hätten die gar nicht den Charakter, der sie zu Werten macht, nämlich sozusagen, eben uns etwas abzuverlangen, was gerade nicht, was uns vielleicht gar nicht in den Kram passt und was wir vielleicht lieber anders hätten, dass etwas gut oder schlecht ist.
Es ist etwas, das können wir uns nicht irgendwie zurecht lügen oder so und so tun, als wäre das Schlechte auch was Gutes oder so was. Wir erleben das irgendwie, würde ich sagen, als eine Art von Tatsache, die da gegeben ist.
Werte: Die theistische Position
[Marc von der Linde:]
Nun, im Mittelalter erlangte in Europa das monotheistische Christentum eine sehr machtvolle Position. Christliche Philosophen argumentieren auch heute noch häufig in Bezug auf Gott und die Kirche vertrat auch ein gewisses moralisches System mit gewissen Werten.
Wie haben wir uns moralische Werte in diesem System vorzustellen?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Na ja, es gibt eine Sichtweise, der zufolge Gott genauso wie Gott Schöpfer von allem anderen ist, Gott auch irgendwie Schöpfer von Werten sei und dass es irgendwie ein göttliches Verdikt macht, dass bestimmte Dinge gut sind oder bestimmte Dinge schlecht sind. Also, dass es irgendwie eine Frage göttlicher Gebote ist, dass wir bestimmte Dinge tun sollten und nicht tun sollten.
Das liegt natürlich erst mal auch irgendwie nahe, so als Vorstellung, insbesondere für Menschen, die eben theistische Überzeugung haben.
Die Schwierigkeit mit dieser Vorstellung ist allerdings ebenfalls früh erkannt worden.
Schon ganz früh bei Platon und in einem der Dialoge von Platon wird das diskutiert. Der Dialog heißt Euthyphron und da diskutiert, wie immer bei Platon oder fast überhaupt bei Platon, Sokrates mit einem Gesprächspartner. Und auch der Gesprächspartner sagt: Na ja, dass bestimmte Dinge gut sind - Das liegt daran, dass die Götter sie bevorzugen oder dass bestimmte Dinge gerecht oder fromm sind. Das liegt daran, dass die Götter dafür sind, und deswegen sind die gut.
Und Sokrates stellt dann die Gegenfrage: Na ja, aber was genau kam denn da jetzt zuerst?
Sind bestimmte Dinge gut, weil Gott sie für gut erklärt? Oder ist es nicht viel eher so, dass Gott von uns bestimmte Dinge will, weil diese Dinge gut sind?
Und dann müssten sie zunächst mal gut sein.
Und Gott wäre dann sozusagen jemand, der uns darauf hinweist, dass bestimmte Dinge gut sind. Das heißt, Gott wäre ebenfalls nicht einfach die Quelle des Werts, sondern jemand, der vielmehr so etwas wie ein allwissender Ratgeber in Bezug auf das Gute ist.
Und Platon spricht sich dafür aus, dass wir das so sehen sollten, weil so kann man den Dialog verstehen, ansonsten ja gelten würde, dass Gott auch beliebige andere Dinge einfach hätte gut oder schlecht machen können.
Und das scheint oftmals abwegig zu sein. Wenn ich lieblos mit meinen Kindern umgehe oder Geheimnisse von Freunden aus plaudere und dergleichen, das hätte auch Gott nicht zu etwas Gutem machen können.
Und so sehen es, glaube ich, tatsächlich viele Theistinnen auch. Also nicht jeder, der an Gott glaubt, glaubt deswegen, dass auch Werte von Gott kommen.
[Marc von der Linde:]
Also würden Sie sagen, dass Werte auch in einem theistischen System ein Stück weit unabhängig weiterhin von Gott existieren?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Zumindest ist das möglich. Und das ist wahrscheinlich sogar die verständlichere Art und Weise. Wenn wir davon reden, dass Gott irgendwie allgütig ist, zum Beispiel: Das ist ja Teil vieler theistischer Vorstellungen.
Dann scheint es ja zu heißen, dass Gott tatsächlich Dinge hervorbringt, die gut sind, weil sie gut sind.
Und dass diese Vorstellung, dass Gott gütig ist, die entleeren wir vollkommen, wenn wir sagen: Naja, was, was immer Gott tut, ist ipso facto oder per Definition gut, dann ist das einfach eine Trivialität Zu sagen, dass Gott, dass Gott gut ist.
Wenn wir hingegen Werte eher für etwas Unabhängiges halten, dann haben wir tatsächlich einen Maßstab, an dem sich Gottes All Güte erweisen kann oder bemessen lässt.
Werte & das Subjekts
[Marc von der Linde:]
Seit der Neuzeit gilt die Eigenverantwortung - das Subjekt wurde immer relevanter und das Subjekt mehr und mehr Träger und Beschützer der eigenen Werte. Nietzsche sagte, Gott sei tot. Starb damit auch ein Ankerpunkt moralischer Werte in der Gesellschaft im Westen?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Nietzsche hat das so verstanden. Nietzsche wollte aber vor allen Dingen, glaube ich, tatsächlich darauf hinaus, dass nun das stattfinden müsse, was er eine Umwertung aller Werte nennt.
Nietzsche ist ja überhaupt nicht das, wie es manchmal kolportiert wird: So eine nihilistische Verneinung aller Werte, sondern so etwas wie einen Nihilismus hat er eher als eine abschätzige Zeitdiagnose gebraucht und hat gedacht na ja: Die Gegenwart, der fehlen, bestimmte verbindliche Wertorientierungen. Die Gegenwart ist irgendwie orientierungslos. Die Leute in Nietzsches Gegenwart dachte er, die wollen auf nichts Hohes mehr hinaus, die glauben an nichts mehr. Denen fehlen irgendwie sozusagen gerade Werte.
Und deswegen hat Nietzsche gedacht: Es braucht gerade [jetzt], es braucht neue Werte. Ob er dann, ob er dann mit seinen Vorstellungen von neuen Werten immer so ganz richtig gelegen hat, darf man natürlich bezweifeln.
Aber auch bei Nietzsche ging es gerade nicht um eine Verabschiedung von Werten, sondern um eine Betonung dessen, wie wichtig die eigentlich sind.
Politische Institutionen und moralische Orientierung
[Marc von der Linde:]
Denken Sie, dass in der heutigen Zeit politische Institutionen wie die Europäische Union oder andere supranationale Institutionen ein wichtiger Ankerpunkt sein können für Individuen und Subjekte innerhalb dieser demokratischen Systeme, um sich moralisch zu orientieren und in gewisser Weise sich an Grundwerten einer solchen Gemeinschaft zu orientieren?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Das ist eine schwierige Frage. Ich würde natürlich schon sagen, dass politische Institutionen und gerade auch die auf europäischer Ebene für bestimmte Werte stehen sollten, für Werte wie ganz traditionell: für Freiheit und Gleichheit und Demokratie und dergleichen.
Ob die gleichzeitig ein moralischer Orientierungspunkt für Leute sein sollten, das weiß ich gar nicht. Da weiß ich auch gar nicht, wie wohl mir dabei ist, wenn ich mir vorstelle, dass politische Institutionen den Leuten eine bestimmte moralische Richtung vorweisen.
Ich würde sagen, es ist eher andersherum.
Eher sollten die Institutionen aufruhen auf den Werten, die eine aufgeklärte Bevölkerung als korrekt eingesehen hat. Eher in die Richtung, würde ich denken.
Aber es ist natürlich klarerweise von Vorteil, wenn die Bevölkerung in solchen Institutionen das wiederfinden kann, was sie in einem vernünftigen und freien Diskurs, würde ich mal sagen, als richtig eingesehen haben.
[Marc von der Linde:]
Also würden Sie sagen, dass moralische Werte vor allem auch vom Individuum selbst abhängen, dass eine gewisse moralische Einsicht besteht und eigentlich nur durch diese moralische Einsicht des Einzelnen auch im Kollektiv eine Orientierung an solchen Werten erfolgen kann?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Ganz so individualistisch muss man es vielleicht gar nicht sehen, sondern ich habe ja vorhin schon vorhin schon Platon angeführt und da merkt man eigentlich ganz gut, wie das wirklich läuft. Das funktioniert so richtig gut, wenn es mindestens zwei sind, die sich austauschen, die Gründe geben und kritisieren. Und man gezwungen ist, sich ein Stück weit in die Perspektive seines Diskussionspartners, seiner Diskussionspartnerin hineinzuversetzen und Einwände zu antizipieren oder was voneinander zu lernen.
Individuen müssen es nicht sein - Also es gibt ja nicht nur entweder das Individuum oder die staatlichen oder überstaatlichen Institutionen, sondern es gibt so was wie einen Diskurs unter Menschen und unter Bürgerinnen, auf dem sich dann so was wie Werte am besten glaube ich entdecken lassen.
Und dass es aber ein Entdeckungsprozess ist, das habe ich ja vorhin schon angedeutet, das würde ich sagen, das ist der Vorstellung von Wert einfach eingebaut.
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Alles, was wir selbst verstehen, als etwas, worauf wir uns irgendwie arbiträr geeinigt haben oder was ein historischer Unfall ist, das können wir eigentlich nur verstehen als eine Art von Konvention oder eine Etikette-Regel, aber nichts, was die Art von Verbindlichkeit hat, die ein höchster moralischer Maßstab haben müsste.
[Marc von der Linde:]
In der Einleitung des Podcast sprach ich unter anderem von Wertefamilien. Und ich habe diesen Begriff als Container verwendet für gewisse Werte und zusammenhängende Werte im europäischen Kontext. Was halten Sie von dieser Terminologie, die Werte mit Familie ein Stück weit verbindet?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Das finde ich hilfreich, würde ich sagen. Es ist für einen Moralphilosophen auch gar nichts Fremdes, sondern es geht ja in der Philosophie nicht zuletzt darum, Begründungen zu finden, die verschiedene Arten von Werten und Normen zueinander in Beziehung setzen.
Also es ist ziemlich klar, dass wissen wir spätestens seit David Hume Aber irgendwie sagt es uns auch der gesunde Menschenverstand, dass man Werte nicht aus etwas ganz und gar Wertfreien heraus begründen kann.
Sie können, wie David Hume sagt, „kein Sollen aus einem Sein“ herleiten, also keine Werte oder Sollens Aussagen aus rein deskriptiven Feststellungen. Insofern ist man gerade als Moralphilosoph immer schon damit beschäftigt, Werte zu anderen Werten in Beziehung zu setzen und sich zu fragen: Naja, wie verhalten sich jetzt zum Beispiel eigentlich Demokratie und Freiheit zueinander? Oder wie verhalten sich Demokratie und Wohlergehen zueinander oder Glück und dergleichen?
Also dass es da Begründungszusammenhang gibt, das scheint vollkommen klar zu sein.
Insofern also, wenn Familienbeziehungen in ihrer Terminologie für so etwas stehen wie sachliche oder inhaltliche oder begründende Zusammenhänge zwischen Werten zum Beispiel, dann bin ich sofort an Bord und dann finde ich es eigentlich ein ganz hilfreiches Bild.
Was kam zuerst: Freiheit oder … ?
[Marc von der Linde:]
Wie würden Sie sagen, hängen die moralischen Werte der Europäischen Union zusammen mit den Grundwerten von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Die Frage würde vor allen Dingen, glaube ich, darauf abzielen, was davon jetzt basal ist.
Jedenfalls würde man als Philosoph da so herangehen. Denn man würde sich fragen Ist das einfach ein Zufall, dass wir Demokratie wichtig finden. Gleichheit und Freiheit?
Oder ist irgendetwas davon primär? Und dann könnte man zum Beispiel: Also, was ich jetzt durchaus erst mal plausibel finde, an Rousseau und an Kant geschult zu sagen, na ja, dass eine bestimmte Form von staatlicher Mitbestimmung wertvoll ist.
Das hat zunächst mal damit zu tun, dass Freiheit etwas Wichtiges ist. Das ist Rousseaus alter Gedanke zu sagen, naja, bestimmte Institutionen und bestimmte Gesetze, die sind nur dann in Ordnung, wenn sie gleichzeitig die Menschen, den Menschen, ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung überlassen.
Und wie kann das funktionieren? Ja, nur, wenn die Menschen sich selbst als Urheber dieser Institutionen und Urheber dieser Gesetze begreifen können.
Wenn Sie also irgendwie sagen können: Ich bin Mitautor der Gesetze, an die ich mich halten muss. Deswegen halte ich mich nicht an fremde Gesetze, nicht an einen fremden Willen, sondern indem ich den Gesetzen folge, folge ich letztlich etwas, zu dem ich auch meine Zustimmung gegeben habe und bleibe in diesem Sinne, in diesem Sinne frei.
Also das war etwas, etwas mehr Rousseau als Kant, aber der Gedanke kommt daher, und das sind zum Beispiel Begründungsansätze, die ich vielversprechend finde, um zu sagen na ja, irgendwie so einen begründenden Zusammenhang muss es zwischen diesen, diesen Werten geben.
Das kann, würde ich erst mal sagen, kein Zufall sein, dass wir zufällig jetzt auf eine Reihe von Werten gekommen sind, die aber gar nichts miteinander zu tun haben. Und der Job eines Moralphilosophen ist, danach zu graben und zu gucken, wie ergeben die sich auseinander?
[Marc von der Linde:]
Also würden Sie sagen, das ist, was politisch ab und an geschieht: Eine Fokussierung auf einen bestimmten Wert, [der] zwar einer politischen Agenda folgen kann aber einer moralischen Vollständigkeit von Werten in einer demokratischen Gesellschaft gar nicht entspricht.
Und dass es gar nicht möglich ist, sich sozusagen nur auf den Wert der Freiheit zu berufen und Werte wie die Gleichstellung dabei außer Acht zu lassen?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Genau, je nachdem, wie man die Begründungsverhältnisse rekonstruiert, kann sich, würde ich sagen, [die Vollständigkeit] sehr wohl ergeben und scheint mir sehr plausibel, dass es sich zeigen lässt, dass eine Fokussierung auf einen dieser Werte vermutlich immer etwas Einseitiges behalten wird. Und wenn man dann dahin gerät, dass man irgendwie glaubt, Freiheit und Gleichheit gegeneinander ausspielen zu müssen, dann liegt zumindest der Verdacht nahe, dass man irgendwo falsch abgebogen ist.
Werte im Alltag
[Marc von der Linde:]
Denken Sie, dass moralische Werte im alltäglichen Handeln Menschen auch leiten?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Absolut. Ich glaube, dass sich das auch gar nicht vermeiden lässt, nicht?
Das soll nicht heißen, dass jede kleine Entscheidung, die wir fällen, bereits moralisches Gewicht hat. Aber es ist uns jedenfalls nichts vertrauter als das Gefühl: Oh Gott, ich habe ihm Unrecht getan. Ich habe was furchtbar falsch gemacht. Ich sollte mich eigentlich entschuldigen. Ich Mag es aber nicht zugeben und versuche, das zu überspielen und dergleichen, also irgendwie den Eindruck zu haben Oh Gott, das ist wahrscheinlich sogar die prägnanteste Form, in der sich die moralische Dimension unseres Denkens offenbart.
In dem Gefühl: Oh Gott, ich habe was falsch gemacht, Das ist es wahrscheinlich. Da teilt sich, glaube ich, die Natur von Werten auch am deutlichsten mit. Denn dann merken wir okay, daran gibt es jetzt nichts schön zu reden. Ja, das kann ich mir auch nicht anders denken.
Und ich kann den Wert, gegen den ich da verstoßen habe, auch nicht um-erfinden, sondern das ist leider Gottes eine verflixte Tatsache, dass ich hier gerade was furchtbar falsch gemacht habe.
Ich glaube, das ist die Erfahrung, die kennen alle.
Moral: Intuition und Bildung
[Marc von der Linde:]
Würden Sie sagen, dass diese moralischen Empfindungen, die Sie gerade angesprochen haben, ein Stück weit intuitiv geschehen? Oder sind es Entscheidungen? Bewusst und unbewusst trifft man, indem man sich in bestimmten Richtungen bildet - Also, wenn Sie sagen, man hat als Individuum, als Subjekt eine gewisse Entscheidungsmöglichkeit, welche moralischen Intuitionen man schärft?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Das würde ich schon sagen. Also Sie haben, Sie haben vollkommen recht, vieles von unserem moralischen Denken und Überlegen geschieht, würde ich sagen, ziemlich klarerweise, intuitiv. Und es wird in der zeitgenössischen Psychologie auch ganz gut erforscht. Und das liegt auch nahe. Es gibt ja auch viele Fälle, in denen die moralische Sachlage so, so, so klar ist, dass einfach unmittelbar einleuchtet, was jetzt geht und was nicht geht und dass wir da nicht unsere höheren kognitiven Kapazitäten anschmeißen müssen, um zu dem Resultat zu gelangen.
Das ist ja auch eine sehr vernünftige, vernünftige Einrichtung.
Ich glaube aber, andererseits, und auch das scheint mir ziemlich klar zu sein, dass es sehr wohl die Möglichkeit gibt, diese unmittelbaren Impulse und diese spontanen Bewertungstendenzen, die man hat, zu hinterfragen und zu schärfen und sich auch von denen zu verabschieden. Also wenn ich auf mich selbst gucke, nun ist das mein Beruf, mich mit moralischen Fragen und moralischen Argumenten auseinanderzusetzen.
Aber mir passiert das beinahe täglich, dass ich irgendwie ein moralisches Urteil revidieren muss und manchmal auch in wirklich, auch in wirklich grundsätzlicher Form. Und dass ich lerne: Okay, ich habe ein Argument gehört und erstmal einfach nur ein Argument. Das muss nicht besonders rhetorisch geschickt vorgebracht sein und es muss nicht mit viel Emphase vorgetragen werden. Das muss niemand gemacht haben, der viel Charisma hat, sondern einfach nur qua Argument überzeugt mich das. Und das hat dann unmittelbaren Einfluss auf das, was ich für richtig halte und wie ich lebe. Ich habe schon eine Menge tatsächlich auch in meinem Leben umstrukturiert, dadurch, dass ich mich ständig mit Moralphilosophie herumschlage. Also da würde ich sagen, nicht, dass ich dadurch jetzt ein besonders guter Mensch geworden wäre.
Aber ich habe zumindest die Erfahrung gemacht, dass ich manche Dinge für Fehler halte und dann mich bemüht habe, die, die abzustellen. Das, wo ich damit auf einer Moral Skala im Vergleich zu anderen Leuten liege, ist damit darüber nichts gesagt. Ja, da kann ich immer noch immer noch unteres Mittelfeld oder schlimmeres sein. Aber auf jeden Fall diese Art von Selbstbefragung und Selbstkorrektur, die es die ist, definitiv möglich, würde ich sagen. Das erlebe ich ständig.
[Marc von der Linde:]
Also, ist für moralisches Handeln letztendlich die Orientierung an Werten entscheidend, und ist letztendlich ein Stück weit gebunden an eine eigene moralische Einsicht und an eigenes Reflektieren?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Ja, genau das würde ich sagen. Das ist bestimmt so und ich würde sagen, das zeigt sich auch an Ihren Fragen.
Denn wenn wir merken, dass bestimmte Dinge Wert haben, dass zum Beispiel Demokratie oder Freiheit oder Gleichheit wertvoll sind, dann kann das gar nicht ausbleiben. Dass man sich fragen muss na ja, an Punkten, wo die in verschiedene Richtungen zu weisen scheinen oder wo die in Konflikt zu geraten scheinen, dann schreien diese Werte ja förmlich selbst danach, dass man sich darüber klar wird, wie die zu gewichten sind, in welchem Verhältnis die eigentlich zueinanderstehen.
Was ist jetzt eigentlich grundsätzlicher oder was verdient das Primat, die Freiheit oder die Gleichheit, oder was?
Das würde ich sagen, ist Werten ebenfalls eingebaut. Die kommen uns nicht - Wenn wir etwas als wertvoll erfahren, dann ist das nicht so wie so eine reine Geschmacks Erfahrung. Entweder Mag man Brokkoli oder Vanilleeis oder halt nicht, sondern uns präsentiert sich etwas als gut.
Es geht aber immer einher mit der Aufforderung sich darüber klar zu werden - Was ist denn eigentlich gut daran? Gut zu sein präsentiert sich uns nie als etwas, das einfach analysierbar ist. Gegebenes ist, das man einfach zur Kenntnis nimmt, sondern das ist etwas, was sozusagen selbst danach verlangt, dass wir uns Rechenschaft geben. Okay, was genau war daran jetzt eigentlich gut und war es wirklich gut? Und kann ich das begründen? Und kann ich dann darauf schließen, dass bestimmte andere Dinge ebenfalls gut sind oder im Gegenzug schlecht?
Ich glaube, diese diskursive Dimension haben Werte auf jeden Fall auch Ihrer, ihrer Natur nach möchte ich fast sagen.
Werte und Identitäten
[Marc von der Linde:]
Denken Sie, dass Werte eine konstruktivistische Grundlage für eine europäische Identität schaffen könnten?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Da weiß ich nicht genau, was Sie mit einer konstruktivistischen Grundlage meinen, muss ich sagen. Eine Grundlage können Sie ganz bestimmt sein. Bzw. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was denn sonst eine Grundlage für eine Identität wäre. Ich glaube, wann immer Leute in einem emphatischen Sinne oder wann auch immer Gruppen in einem emphatischen Sinne eine bestimmte Identität haben, dann besteht die eigentlich immer aus Dingen, die diese Person oder diese Gruppen für wichtig halten, an den ihnen gelegen ist, bestimmte Ziele oder bestimmte Vorstellungen von Rechten und dergleichen.
Solche Identitäten gruppieren sich eigentlich immer um bestimmte Werte. Niemals ist es Teil meiner Identität, dass ich gerne Vanilleeis Mag. Dafür taugen solche Geschmacksvorlieben einfach nicht.
Insofern ja, wenn Gruppen eine bestimmte Identität ausbilden, dann sind immer, immer Werte beteiligt. Ob man es dann für eine gute Sache hält, dass Gruppen bestimmte Identitäten ausbilden und dass sich dann Grüppchen bilden, da gibt uns die Gegenwart ja eine Menge Beispiele davon, dass das nicht immer nur eine unproblematische Entwicklung ist.
Andererseits ist der Gedanke, wir hätten keinerlei Identität und es gäbe nichts, wofür wir stehen und was uns definiert, weil es uns wichtig ist - der Gedanke hat natürlich auch was Erschreckendes.
Das ist es ja eben, wie ich gerade sagte, etwas, wovor auch Nietzsche zurückgeschreckt ist. Vielleicht muss man einfach dafür sorgen, dass es die richtigen Werte sind und dass wir uns nicht von diesen Werten in verschiedene Lager und Clubs ziehen lassen, von denen aus wir dann auf andere Klubs irgendwie herabschauen und dergleichen.
Aber diesen engen Zusammenhang zwischen Identität und Werten, den gibt es, den gibt es bestimmt das würde Ich denken.
Publikumsfragen
[Marc von der Linde:]
Vielen Dank. Das wären erst mal die Fragen von meiner Seite. Und dann habe ich noch zwei Fragen aus dem Publikum.
Meinen Sie, dass man die Menschen mehr philosophisch bilden sollte, damit sie so ein besseres oder zumindest ein anderes Verständnis von politischer Philosophie und Politik generell?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Ich bin weit davon entfernt, Philosophie irgendwie für ein Allheilmittel zu halten. Aber manchmal habe ich schon den Verdacht, dass es bestimmte philosophische Vorannahmen gibt, die den Zeitgeist prägen, die nicht hilfreich sind.
Also ich würde sagen, es braucht vielleicht deswegen Philosophie, weil schon der Zeitgeist oft nicht philosophisch unschuldig ist. Denn wenn Sie, wenn Sie den Mann oder die Frau auf der sprichwörtlichen Straße befragen, dann ist es gar nicht so, als wären die philosophisch vollkommen unbedarft, sondern heutzutage ist es so, dass die meisten Leute ihnen allzu bereitwillig erklären werden, dass alle Werte was Subjektives sind und dass sowieso alles relativ ist und dergleichen.
Das heißt, der Zeitgeist ist schon bereits getränkt mit einer Menge Philosophie und auch mit einer Menge philosophischer Annahmen über Werte.
Und das heißt, da das so ist, stellt sich die Frage, ob man den Leuten mit mehr Philosophie kommt, überhaupt nicht, sondern die sind schon [drin]. Der Diskurs steckt schon, steckt schon voll von der Philosophie.
Und da gilt es dann aber sozusagen vielleicht das explizit zu machen und ein bisschen aufzuräumen und den Leuten klarzumachen, was eigentlich wirklich haltbare Vorstellungen von Werten sind und wo man sich einfach verrennt.
[Marc von der Linde:]
Okay, die zweite und letzte Publikumsfrage ist etwas länger.
Sollte man konsistent in seinen philosophischen Werten und somit seiner Politik sein? Oder würden Sie behaupten, dass einseitige oder sogar durchgehende Inkonsistenz in den eigenen philosophischen Werten besser geeignet für reale politische Situation und Diskussionen ist? Zum Beispiel die Todesstrafe ist ein extremes Beispiel. Aber in Deutschland und in anderen europäischen Staaten ist sie verboten und viele Menschen würden vermutlich auch sagen, dass sie gegen die Todesstrafe sind.
Aus diversen Gründen, vermutlich aber auch, weil sie denken, dass ein vom Staat ausgeführter Mord nicht besser ist als ein Mord von einem Zivilisten. Andere wiederum würden behaupten, dass es Ausnahmen geben könnte, was doch in Ordnung wäre, wenn der Staat sich dieses Recht herausnehmen würde: Wie wenn jahrelang versucht wurde zu helfen, aber keine Besserung im Verhalten einer kriminellen Person zu sehen ist.
Meinen Sie, man sollte fest in seinen Werten bleiben oder sollte man praktisch flexibel sein?
[Univ.-Prof. Dr. Tim Henning:]
Das ist tatsächlich eine gute Frage. Ich würde das ein bisschen trennen.
Einmal das Beispiel der Todesstrafe und dann die Frage, ob man flexibel oder konsistent in seinen Werten sein sollte.
Aber man sollte zumindest sich darüber klar sein, wenn man merkt, Na ja, meine Wertvorstellungen weisen in verschiedene Richtungen und ich bin mir nicht ganz sicher, was jetzt, was jetzt Priorität haben sollte. Da würde ich sagen, wäre es auf jeden Fall schädlich, auf Biegen und Brechen Konsistenz herzustellen, nur um der Konsistenz willen, denn das kann uns natürlich auch in die Irre führen, wenn wir in einem Wenn und Aber, wenn unser Denken über Werte in einem Zustand sind, in dem wir uns tatsächlich nicht ganz sicher sein können, weil wir noch nicht alle Gründe erwogen haben oder weil wir vielleicht noch mehr, noch mehr lernen müssen, dann ist es wahrscheinlich wichtig, diese Unsicherheit auch ein Stück weit auszuhalten und sie nicht sinnig für eine künstliche Eindeutigkeit wegzuleugnen.
Andererseits würde ich sagen, wenn etwas inkonsistent ist, dann ist es inkonsistent. Und das heißt schon, dass irgendwo ein Fehler vorliegt.
Da müssen wir vielleicht auch zwischen Inkonsistenz im strengen Sinne unterscheiden und zwischen der Idee, dass zwischen manchen Werten manchmal eine Spannung bestehen kann oder dass manche unserer Werte uns manchmal vor schwierige Entscheidungen stellen können. Das kann auf jeden Fall sein.
Aber wenn wir merken, dass unsere Einsichten darüber, was gut und was richtig ist, tatsächlich widersprüchlich sind, dann haben wir einfach einen Fehler gemacht. Und dann würde ich sagen, dann wäre es denkfaul zu sagen, na ja, dann sind die eben inkonsistent und dann ist das so. Sondern das müssen wir dann als einen, als ein Ansporn begreifen, mehr zu lernen und besser verstehen zu lernen, wo worauf unsere Urteile beruhen und welches dieser Urteile im Zweifelsfall modifiziert werden muss, damit dieser Widerspruch aufgelöst wird.
Das würde ich schon sagen, dass das sein muss.
Das Beispiel der Todesstrafe, dass Sie oder das das der / die Fragesteller*in vorgebracht hat, ist aber gar nicht unbedingt ein Beispiel für eine Inkonsistenz, weil es da ja keine einzelne Person gibt, die sich uneins [mit] sich selbst ist, sondern da sind verschiedene Gruppen sich uneins. Sie haben ja vorgelesen, Einige denken so, andere denken so, aber auch das ist natürlich ein Zustand, der erst mal, würde ich sagen, zwar uns gegenseitig eine Menge Toleranz abverlangt und da ist Toleranz auch am rechten Ort.
Aber auch da dürfen wir Toleranz nicht verwechseln mit einem, mit irgendeiner Form von Beliebigkeit, sondern auch da müssen wir die Situation begreifen als einen Indikator dafür, dass irgendeine der Meinungen, die wir gemeinsam tragen, mindestens eine der Meinung, die wir gemeinsam vertreten, Revisionsbedürftig ist. Ob das die eigene ist oder die Fremde, ist damit ja noch offen.
Aber wenn der eine glaubt, die Todesstrafe ist manchmal zulässig und der andere glaubt, die ist niemals zulässig, dann ist einfach ausgeschlossen, dass beide recht haben. Und darüber müssen wir uns klar sein. Ich würde sagen, dass an diesem Gedanken, aber nichts ist was der Toleranz widerspräche. Denn erstens, wie gesagt, nichts davon legt ja fest, dass ich meine Meinung für die richtige erklären muss.
Das heißt nur okay, es muss klar sein, einer von uns beiden hat jetzt was falsch gemacht. Lass uns mal drüber nachdenken. Und zweitens würde ich sagen na ja, ist Toleranz gerade dort ja gefragt, wo ich eigentlich denke: Na ich glaub der andere hat Unrecht, aber ich verteidige trotzdem sein Recht, Unrecht haben zu dürfen, sozusagen.
Wenn ich stattdessen erkläre, hier gibt es sowieso keine Wahrheiten und jeder darf machen, wie er will - dann hätte ich den Impuls, dass gerade für einen Hinweis darauf zu halten, dass man dann vielleicht weniger tolerant ist.
Ja, wenn ich sozusagen direkt aller Wahrheit und aller Objektivität abschwören muss, um das auszuhalten: Dass wir verschiedene Meinungen haben, dann bin ich vielleicht gar nicht so ein toller, toleranter Mensch, wie ich dachte.
[Marc von der Linde:]
Noch eine Nachfrage zur Konsistenz und Inkonsistenz von Werten. Wir hatten ja auch schon darüber gesprochen, dass es eigentlich immer eine Kombination von verschiedenen Werten braucht. Und in gewisser Weise braucht es doch dann immer einen besprochene, diskutierte Gewichtung von einzelnen werten?
[Univ. -Prof. Dr. Tim Henning:]
Genau richtig. Aber das ist glaube ich etwas anderes als die Frage, ob es da Inkonsistenzen gibt.
Aber Sie haben vollkommen recht. Das sind Werte, die durchaus nicht immer alle automatisch in die gleiche Richtung weisen, sondern mitunter kommt es vor, dass wir das gegeneinander abwägen müssen.
Welcher Wert ist jetzt gerade wichtiger? Sollte ich meinen Freund bei der Polizei verpfeifen, weil er nun mal etwas Falsches gemacht hat? Oder wiegt vielleicht der Wert der Freundschaft so viel, dass man sagen kann, okay, hier ist es vielleicht okay, wenn ich sozusagen der Exekutive nicht behilflich bin.
Das ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass wir zwischen Werten abwägen müssen. Aber das heißt eben nicht, dass es da eine tiefe Inkonsistenz von unseren Werten gibt, sondern nur, dass wir eben nicht alles auf einmal immer haben können.
[Marc von der Linde:]
Okay, dann vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Dr. Henning.
Ich denke, wir haben alle viel Neues gelernt und konnten mit Sicherheit auch einiges von Wert mitnehmen.